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Kunstberichte

T-BA 21 wirft einen kunstpolitischen Blick auf Süd- und Zentralasien

Kunstpolitische Fragen

Ein kunstpolitischer Blick auf Süd- und Zentralasien und die ewige Frage nach der Identität – Gonkar Gyatso: "My Identity", 2003. Foto: Gonkar Gyatso and Rossi & Rossi Ltd., London

Ein kunstpolitischer Blick auf Süd- und Zentralasien und die ewige Frage nach der Identität – Gonkar Gyatso: "My Identity", 2003. Foto: Gonkar Gyatso and Rossi & Rossi Ltd., London

Von von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Die Kunstsammlerin und Mäzenin Francesca Habsburg und die Kuratorin Daniela Zyman haben keine Mühen gescheut: Sie sind 2006 nach Indien gereist, um die nun im Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (T-BA 21) laufende Ausstellung "A Question of Evidence" vorzubereiten. Die Expertinnen trafen vor Ort nicht nur Künstler und Künstlerkollektive, sondern suchten auch den Dalai Lama in Dharamsala auf, der als Schirmherr des Ausstellungsprojekts fungiert.

Gezeigt werden im Ausstellungsraum in der Wiener Himmelpfortgasse Projekte, die mit den sozialen und politischen Veränderungen in Süd- und Zentralasien ringen. Zudem hinterfragen viele der ausgestellten Exponate, ob im Spannungsfeld zwischen politischer Repräsentation und künstlerischer Darstellung authentische Zeugenschaft noch möglich ist.

Wie fragil derzeit politische Opposition im südostasiatischen Raum sein dürfte, vermag das Sonderprojekt des Südkoreaners Do Ho Suh zu vermitteln: "Stairvase V" ist eine Treppe aus rotem, transparentem Polyestermaterial. Vordergründig bildet es den Aufgang zum New Yorker Appartement des Künstlers ab. Doch es handelt sich dabei um eine nicht begehbare Architektur, ähnlich einem Traumbild. Die metaphorische Reflexion und auch das symbolische Rot verweisen zudem auf Raumfragen der traditionellen koreanischen Architektur, wie den Torbogen. Das Gespenst Heimat geht um.

Die zentrale Arbeit der Schau ist wohl die Installation "The Torn First Pages" (2004 – 08). Der indische Künstler Amar Kanspwar erzählt auf geometrisch angeordneten Monitoren die Geschichte des Buchhändlers Ko Than Htay, der wegen seines Widerstands gegen die Militärmacht in Burma (Myanmar) verhaftet wurde. Der Buchhändler entfernte aus den Büchern jeweils die erste Seite, die propagandistische Parolen der Militärdiktatur enthielt.

Neben der brutal niedergeschlagenen burmesischen "Saffron Revolution" von 1988 und 2007, die zuletzt von Bloggern so lange in die Welt hinausgetragen wurde, bis die Staatsmacht das Internet abgeschaltet hat, liegt der Fokus dieses kunstpolitischen Blicks auf Süd- und Zentralasien natürlich auf Tibet.

Die Manipulation der Bild-Dokumente, die über Internet meist als Film, Video oder Foto auch von einer internationalen Tourismusindustrie verfälscht werden, sind Thema des Raqs Media Collective in "Unfamiliar Tales" (2008).

Mit der ironisch gestellten Frage nach der Identität im Zusammenhang mit der buddhistischen Inkarnation in ein "Nicht-Selbst-Sein", spielt der in London und zuvor in Peking lebende tibetische Künstler Gonkar Gyatso in der Fotoreihe "My Identity" (2003).

Daneben sind bei den ausgestellten Werken auch Fragen nach Archiven zentral. Ein Beispiel: "Cybermohalla Hub" (2008) – eine architektonische, begehbare Struktur von Nikolaus Hirsch und Michael Müller, die einen Gedankenaustausch in Form von Blogs, Fotos, Sound-Aufnahmen etc. mit einem (mittlerweile geschlossenen) Media Lab in Delhi ermöglicht.

An die Ränder der Kunst begibt sich indes die Französin Marine Hugonnier mit ihrem Buch "An Artwork Which is Not An Artwork" – ein eng mit politischer Kunst verknüpfter Gedanke.

Aufzählung Ausstellung

A Question of Evidence

Diana Baldon, Daniela Zyman (Kuratorinnen) T-B A 21, bis 5. April

Printausgabe vom Freitag, 02. Jänner 2009

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