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Linz 09 durchwirkt den Brucknerfest-Auftakt
Fein gesponnene Raffinesse bei alten und neuen Klängen
Kunst im Zeitalter der Eventkultur
Konrad Paul Liessmann, Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien und Kulturpublizist, hielt die Festrede mit dem Titel "Hier wird's Ereignis - Kunst im Zeitalter der Eventkultur", aus der hier zitiert wird:

~ Allüberall Feste, Festspiele, Festwochen. Die Kultur boomt und mit ihr der Tourismus. Und alles im Namen der Kunst. Und deshalb ist der Sommer auch die große Zeit der Kulturkritik. Denn was bleibt von der Kunst im Trubel der Ereignisse, im Marktgeschrei der Sensationen, im Aufmarsch der Staraufgebote, im Reigen der Absagen und im Funkeln der Seitenblicke? ~

~ Die Paradoxie an der gerne kritisierten Eventkultur unserer Sommer besteht darin, dass diese Veranstaltungen ursprünglich oft nichts anderes wollten, als der Kunst einen Ort zu geben, an dem sie sich ohne Rücksicht entfalten konnte. Oft einem Genius loci - Wagner in Bayreuth, Mozart und Strauss in Salzburg, Bruckner in Linz - gewidmet, konzentrierten sich diese Feste auf die Pflege eines Werkes, die in erster Linie den höchsten ästhetischen Ansprüchen genügen sollte. Dass aus diesen Anfängen massen- und medienwirksame Großereignisse werden konnten, bei denen fast alles möglich ist, spricht, so meine These, nicht immer gegen, manchmal vielleicht sogar für sie. ~

~ Der englische Begriff Event leitet sich aus dem lateinischen "eventus" ab, beides bedeutet so viel wie Ereignis. Das Ereignis ist allerdings nie das, was sich gerade ereignet, zuträgt, was geschieht, sondern immer das Außergewöhnliche, Nichtalltägliche, Besondere... ~

~ Kunst in der Goethe'schen Perspektive ist ein Verfahren zur Erzeugung von Ereignissen aus den Unzulänglichkeiten des Daseins, Kunst ist gerade deshalb von den Formen des Schauens, des Staunens, des Spektakulären, des Herausragenden - überall das Sehen und Gesehenwerden - nicht zu trennen. ~

~ Kunst changiert zwischen Spiel und Symbol, zwischen Fest und Ritual, zwischen Verweisungszusammenhängen und Praktiken, die unmittelbare Lebensvollzüge gleichermaßen verdeutlichen und unterbrechen, ohne von diesen so abgetrennt zu werden, wie es das ästhetische Bewusstsein für die Kunst einstens forderte. ~

~ Orte reiner Kunst wirken mittlerweile deplaziert. Kein Museum, in dem nicht gegessen und musiziert, keine Ausstellung, in der nicht getanzt, keine Oper, in der nicht dikutiert wird. ~

~ Bei allem, was den Veranstaltern von kulturellen Events heute einfallen muss, um noch Aufmerksamkeit akkumulieren zu können, bleibt die zentrale Stellung der Kunst dennoch unbestritten ... Man kann Grenzen überschreiten, Kulturen vermischen, neue Publikumsschichten gewinnen, unterschiedliche Atmosphären erzeugen, Sponsoren huldigen: Die Kunst wird man nicht los. ~

OÖnachrichten vom 23.09.2007
 
   



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