| Kunst im Zeitalter der Eventkultur |
Konrad Paul Liessmann, Professor am Institut für Philosophie der
Universität Wien und Kulturpublizist, hielt die Festrede mit dem Titel
"Hier wird's Ereignis - Kunst im Zeitalter der Eventkultur", aus der
hier zitiert wird:
~ Allüberall Feste, Festspiele, Festwochen.
Die Kultur boomt und mit ihr der Tourismus. Und alles im Namen der
Kunst. Und deshalb ist der Sommer auch die große Zeit der Kulturkritik.
Denn was bleibt von der Kunst im Trubel der Ereignisse, im
Marktgeschrei der Sensationen, im Aufmarsch der Staraufgebote, im
Reigen der Absagen und im Funkeln der Seitenblicke? ~
~ Die
Paradoxie an der gerne kritisierten Eventkultur unserer Sommer besteht
darin, dass diese Veranstaltungen ursprünglich oft nichts anderes
wollten, als der Kunst einen Ort zu geben, an dem sie sich ohne
Rücksicht entfalten konnte. Oft einem Genius loci - Wagner in Bayreuth,
Mozart und Strauss in Salzburg, Bruckner in Linz - gewidmet,
konzentrierten sich diese Feste auf die Pflege eines Werkes, die in
erster Linie den höchsten ästhetischen Ansprüchen genügen sollte. Dass
aus diesen Anfängen massen- und medienwirksame Großereignisse werden
konnten, bei denen fast alles möglich ist, spricht, so meine These,
nicht immer gegen, manchmal vielleicht sogar für sie. ~
~ Der
englische Begriff Event leitet sich aus dem lateinischen "eventus" ab,
beides bedeutet so viel wie Ereignis. Das Ereignis ist allerdings nie
das, was sich gerade ereignet, zuträgt, was geschieht, sondern immer
das Außergewöhnliche, Nichtalltägliche, Besondere... ~
~ Kunst
in der Goethe'schen Perspektive ist ein Verfahren zur Erzeugung von
Ereignissen aus den Unzulänglichkeiten des Daseins, Kunst ist gerade
deshalb von den Formen des Schauens, des Staunens, des Spektakulären,
des Herausragenden - überall das Sehen und Gesehenwerden - nicht zu
trennen. ~
~ Kunst changiert zwischen Spiel und Symbol, zwischen
Fest und Ritual, zwischen Verweisungszusammenhängen und Praktiken, die
unmittelbare Lebensvollzüge gleichermaßen verdeutlichen und
unterbrechen, ohne von diesen so abgetrennt zu werden, wie es das
ästhetische Bewusstsein für die Kunst einstens forderte. ~
~
Orte reiner Kunst wirken mittlerweile deplaziert. Kein Museum, in dem
nicht gegessen und musiziert, keine Ausstellung, in der nicht getanzt,
keine Oper, in der nicht dikutiert wird. ~
~ Bei allem, was den
Veranstaltern von kulturellen Events heute einfallen muss, um noch
Aufmerksamkeit akkumulieren zu können, bleibt die zentrale Stellung der
Kunst dennoch unbestritten ... Man kann Grenzen überschreiten, Kulturen
vermischen, neue Publikumsschichten gewinnen, unterschiedliche
Atmosphären erzeugen, Sponsoren huldigen: Die Kunst wird man nicht los.
~
vom 23.09.2007 | |
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