Salzburger Nachrichten am 14. Oktober 2006 - Bereich: Kultur
Foto-Bilder ohne Kameralinse

Die Geschichte des Fotogramms in einer sehenswerten Ausstellung im Rupertinum Salzburg

karl harbsalzburg (SN). Fotogramme sind ohne Kameraoptik in der Dunkelkammer entstandene Bilder. Seit dem frühen 20. Jahrhundert sind sie ein Mittel zum Experiment. Sehr vereinfacht dargestellt: Gegenstände werden auf lichtempfindliches Papier aufgelegt und natürlich oder künstlich belichtet. Man braucht also keine Fotolinse, die im herkömmlichen Verfahren "Abstandsbilder" fabriziert. Fotogramme sind, sagt einer der Pioniere als Erforscher und Künstler, Floris M. Neusüss, "Berührungsbilder". Sie haben damit Qualitäten im Übergang von Fotografie und Malerei.

Dem Fotogramm gilt auf zwei Stockwerken die neue Ausstellung im Salzburger Rupertinum. Sie ist ab heute, Samstag, zu sehen. Der Weg beginnt bei klassischen kostbaren Unikaten von László Moholy-Nagy, Man Ray, Raoul Hausmann und Christian Schad. Diese Künstler im Umfeld von Dadaismus und Surrealismus haben in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Blickrichtung für die malerisch-fotografischen Licht-Schatten-Bilder geöffnet. Realität im Maßstab 1:1 übersetzt sich in einen künstlerischen Prozess, der die Objekte und Elemente des "Aufgenommenen" neu definiert.

Wie vielfältig der Umgang mit den Techniken des Fotogramms ist, beweist der weitere Gang durch die (Kunst-)Geschichte.

Floris Neusüss und Margit Zuckriegl als Kuratoren konnten für diverse weiterführende Positionen bis in die Gegenwart signifikante Stücke zusammentragen. Als Raritäten können besonders die Fotogramme von Lou Tchimoukoff oder die Arbeiten des Polen Stefan Themerson angesehen werden.

Thematisch reichen die Bildmotive von biomorphen Formen (wie Blättern) bis zu abstrakter Geometrie, von "Lichtgrafiken" bis zu malerischen Varianten, von werbegrafischen Konzepten bis zu spielerischem Jonglieren mit Elementen der Pop Art.

Diese Position leitet über zu den Beispielen von Künstlern aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Interesse an einer experimentellen Technik wird vielseitig weiterentwickelt. Walter Ebenhofer beispielsweise legt einen kleinen Ball ins Gehäuse der Kamera und drückt ab: Der Ballkreis erscheint als helle "Sonne", die Kamera gibt sozusagen ein Bild aus sich selbst.

Der New Yorker Künstler und Musiker Christian Marclay spielt mit dem Motiv zerbrochener Schallplatten und "verwischt" die Tonträger so, dass eine Art visuelles Scratching entsteht.

Michaela Moscouw verwendet gefaltetes Papier und manipuliert es, andere Künstler "malen" mit Chemikalien. Floris Neusüss und Renate Heyne haben Figuren der Münchner Glyptothek menschengroß mehrfach belichtet und "geschichtet" abgebildet.

Edgar Lissel arbeitet mit dem Camera-obscura-Effekt, dunkelt also einen Raum völlig ab und lässt nur ein Loch frei, durch das sich ein (umgekehrter) Blick aus dem Fenster abbildet, während die realen Gegenstände im Raum als Fotogramm sichtbar werden: eine "Mischtechnik" der besonderen Art. Die Bildqualitäten der einzelnen Positionen und Motive ergeben so ein durchaus eigenwilliges und spannendes "Kunst-Geschichts"-Bild."kamera los." Das Fotogramm. Ausstellung im Rupertinum, bis 11. 2. 2007. Tägl. außer Mo. 10-18 Uhr, Mittwoch 10-21 Uhr.www.museumdermoderne.at