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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
19. September 2005
18:02 MESZ
Von Anne Katrin Feßler

Bawag Foundation
Bis 26.11. 
Foto: Bawag Foundation/Wolfgang Wössner
Müll rein, Besucher raus: Auseinandersetzung mit dem österreichischen "Wohlfahrtsstaat" in der Bawag Foundation.

Knietief im Wohlstandsmüll
Elmgreen & Dragsets "The Welfare Show" in der Bawag Foundation reagiert auf den Zustand der österreichischen "Wohlstandsgesellschaft"

Wien – Müll, der extra rein- statt rausgetragen wird: Das trug während des Aufbaus der Installation The Welfare Show in der Bawag Foundation zu ratlosem Kopfschütteln der noblen Tuchlauben-Anrainer bei, berichtet Ingar Dragset. Gemeinsam mit Michael Elmgreen hat das dänisch-norwegische Künstlerduo tonnenweise Wohlstandsmüll herangeschleppt. Dann machten sie die Tür zu.

Nur von der "Kommandobrücke" des Direktionsbüros sind durch Glas und mittels Fernrohr geschützte und geradezu unheimlich nahe Blicke auf die Abfallberge der Wegwerfgesellschaft möglich. Neben einem Badewannen- Wrack agiert ein Performer in der Obdachlosen-Rolle: Das Sammeln des vermeintlich Unnützen folgt einer undurchschaubaren Logik. Im Alltag des "Wohlfahrtsstaats", auf Augenhöhe mit den durch die Maschen des sozialen Netzes Gerutschten, wird der Blick oft lieber abgewendet, vom ersten Stock schaut es sich ganz ungeniert ... auf den "Wohlstandsmüll": Ein seit Helmut Maucher, Verwaltungsratspräsident von Nestlé, nicht nur sächlich gebrauchter Begriff. Dieser wendete das "Unwort des Jahres 1997" auch auf "arbeitsunwillige wie arbeitsunfähige" Menschen an. Mangelnde Humanität im Sprachgebrauch: In der Welt der "Großen Tiere" offensichtlich durchaus verbreitet.

So ist es auch einleuchtend, wenn Elmgreen & Dragset, die seit Mitte der Neunzigerjahre die Funktionen öffentlicher Räume hinterfragen und ihre voyeuristischen Ferngläser auch auf das soziale Gefälle hinaufschwenken. Per Euro- Einwurf mutiert man selbst zum Paparazzo und kann den unfreiwillig Mitspielenden im Gourmettempel gegenüber aufs gestärkte Tischleinen, den Passanten auf die Luxusrobe stieren.

Immer wieder kippen Elmgreen & Dragset die ursprüngliche Funktionalität des Galerieraums: In Reykjavík versenkten die beiden etwa den "White Cube" im Erdboden. Im norwegischen Bergen, wo die als Ausstellungsreihe konzipierte, bissige Welfare Show begann, kappten sie die Stiege zur Administration: "Soziale Mobilität" im Jahr 2005.

Dass man in Wien einen vermeintlich öffentlichen Raum verbarrikadiert, hat Symbolcharakter: Nur scheinbar sind Museen und Galerien allen gleichermaßen zugänglich. "Erst recht wenn es so ausschaut wie an der Rezeption einer Bank", erklärt Dragset. Und so besetzen hier einmal jene den Raum, denen sonst zugeraunt wird: "Bitte draußen bleiben!" Allerdings können die vom zerbröckelnden Wohlfahrtsstaat verursachten Ausgrenzungen so nur temporär aufgehoben werden. Elmgreen & Dragset lösen eindringliche Gedankenimpulse aus, die in den Essays und Analysen des Katalogs fortgeführt werden: ein wunderbares, enzyklopädisch aufgebautes Kompendium zu Stichwörtern wie Sozialstaat, Neid und Gerechtigkeit. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.09.2005)


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