Quer durch Galerien
Rosenkranz für Schiedsrichter
Von Claudia Aigner
Wenn unsereins ganz allein zu Haus ist, sind wir bestenfalls
zu viert (wenn man das Über-Ich, das Ich und das Es zusammenzählt und
einen inneren Schweinehund besitzt, auf den der Freud freilich vergessen
oder den er irgendwo an einer Straße im Unbewussten ausgesetzt hat, obwohl
eine Familie doch erst mit Haustier komplett ist). Daniel Weinberger, ein
orthodoxer Jude mit viel Persönlichkeit, kommt auf mindestens sechs
Personen und die stellen jetzt alle bis 1. Juni bei V & V (Bauernmarkt
19) aus. Weinberger hat nämlich die Schmuckkünstler der Schau selber
kreiert, sie mit demonstrativ jüdischen Lebensumständen ausgestattet und
in alle Winde verstreut (Spanien, England, Israel . . .). Das ist in
diesem Fall keine psychische Störung. (Es ist ja etwas anderes, wenn ich
behaupte, dass mein Es nach Timbuktu verzogen ist und dass man ihm den
Ödipuskomplex schon dorthin nachschicken muss, wenn man ihm einen anhängen
will.) Sein "eigener" Schmuck mag ja so aussehen, als hätte man sich
einen Kübel voller Spielzeugramsch, made in Taiwan, über den Kopf
geschüttet. Die Plastikroboter oder -kühe sind allerdings fachmännisch zu
recht aufwändigen Halsketten verarbeitet. Von geradezu boshaft ätherischer
Anmut ist die Kette mit den vielen Fliegen, mit der man sich gleich viel
beliebter fühlt, nämlich so begehrt und umschwärmt wie eine Kuhflade (eine
Kuhflade mit Groupies, die der Verdauung einer Kuh bekanntlich überallhin
folgen). Und die 19 aufgefädelten Trillerpfeifen? Ein Rosenkranz für
Schiedsrichter, mit dem er ein Fußballmatch "herunterbetet"? Und Herr
Vino Del Monte? Das ist wiederum ein Weinberg. Sein Schmuck hat die
pittoreske Poesie eines Hauses von Antonio Gaudi. Dieser Weinberger hat ja
sein Atelier in einem solchen. Natürlich. Er lebt schließlich in Barcelona
(wo die Del Montes schon die Inquisition überlebt haben). Elegant,
raffiniert und überaus tragbar ist der Beitrag von Ben Moshe (was
"Sohn des Moses" bedeutet, und Weinbergers Vater heißt Moses). Soll vom
Trauerschmuck der Königin Victoria inspiriert sein. Und Dina von
Fleischgeist (seine weibliche Emanation), deren Atelier jetzt doppelt so
groß ist, seit sie sich durch die Berliner Mauer durchgehauen hat, ist die
sinnlichste von allen. Ein üppiges orales Schmuckensemble (aus Obst und
Gemüse) besteht in etwa aus dem Tagesbedarf einer vierköpfigen Familie an
gesunder Ernährung. Insgesamt ein lustvolles, hintergründiges Spiel mit
der Identität. Ein "besinnlich humorvolles" Gesamtkunstwerk aus Kunst und
Leben. Bis 6. Juni in der Galerie Chobot (Domgasse 6): "sweet
harmony". Eigentlich wollte ich nur schnell einmal "Mei, liab!" ausrufen
und mich dann meinen Krämpfen hingeben, die vom vielen Zucker kommen.
(Karies kriegt man aber doch nicht, wenn man zu lange zu einem zuckersüßen
Kindchenschema hinschaut.) Die gnadenlose Herzigkeit, die die Mäderln von
Sevda Chkoutova alle im Gesicht haben, ist freilich technisch
ausgezeichnet gemacht. (Und das Kindchenschema ist zugegebenermaßen eine
biologische Tatsache.) Die blassen, zarten Bleistiftzeichnungen, die
mitunter verwischt sind, als seien sie den Anfeindungen eines Radiergummis
ausgesetzt gewesen, zeigen, wie zerbrechlich die heile Welt der kleinen
Mäderln ist. Nein, Gudrun Kampl ist nicht zu den Männern konvertiert
und heißt jetzt Günter Brus. Ich war ja selbst überrascht, als hier vor
einer Woche eine Stola von Gudrun Kampl behauptet hat, sie sei ein echter
Brus. Die Bildunterschrift war willig, aber das Bild war falsch.
Erschienen am: 17.05.2002 |
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