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Kunstberichte

Neuer Kunstraum in Wien-Mariahilf: "Bawag Contemporary" präsentiert Arbeiten von Christoph Weber

Kalte Kritik und warme Kupferwolken

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Bloß zwei eigene Ausstellungen pro Jahr im neuen Gemeinschaftsraum mit der Generali Foundation – das war der Bawag Foundation offenbar zu wenig. Also hat sie sich, abseits vom "Foundationsquartier", eine weitere Spielstätte gesucht und in Wien-Mariahilf gefunden, wo nun ein ehemaliges Tanzcafé "Bawag Contemporary" heißt.

Das Programm "Young & Reckless" präsentiert hier monatlich einen anderen Künstler mit Wienbezug – darunter bekannte Namen wie Marco Lulic oder Franz Erhard Walther, aber auch Geheimtipps wie Susanne Winterling und Christian Schwarzwald. 14 Künstler sind es geworden, die in Wien nicht oder nur wenig in Galerien präsent sind. Alle müssen sich mit der nur minimal umgestalteten Raumarchitektur auseinandersetzen und sie mit Installationen bespielen.

Der erste junge Künstler, dem dies gelungen ist, hat neben den Akademien von Leipzig und Düsseldorf auch in Wien an der Bildenden bei Renée Green studiert. Christoph Weber bezeichnet sich als postkonzeptuellen Künstler; alte Vorbilder aus den 80ern sind Dan Graham, Eva Hesse oder Robert Smithson.

Pflasterstein-Kommune

In der Wahl der Materialien und der inhaltlichen Gegenüberstellung von kühler Gegenwart und warmer Vergangenheit lässt sich aber auch noch ein wenig vom Konzept eines Joseph Beuys spüren. Das Aluminium bildet das kühle Heute, das Kupfer ist im Gegensatz dazu als Drahtgebilde an der Wand fixiert, in Form von Rauchwolken: Formal sind sie einem Kupferstich nachempfunden, der die Folgen des 30-jährigen Krieges zeigt.

Auch im Fall seiner Pflastersteine aus Pappmaché gibt es ein Vorbild, das emotional aufgeladen ist: Weber hat einen Pflasterstein der Rue Ramponeau entfernt, in der 1871 die letzte Barrikade der Pariser Kommune fiel. Eine Fotografie dokumentiert das Loch vor Ort, das Corpus Delicti liegt im Wiener Atelier. Subversive Akte dieser Art sind auch von Jochen Gerz oder Christo bekannt, die Umsetzung in ein neues Material aber verweist auf Strategien der postkonzeptuellen Szene.

Die Aluminiumarbeiten an der Wand und auf dem Boden haben alle die gleiche, durch Gewalteinwirkung entstandene Delle: Diese systematische Zerstörung ist bei Weber auch aktuelle Kapitalismuskritik. Kriegerische Themen bilden den Hintergrund für eine starke bildhauerische Geste. Der kraftvolle Auftakt für das neue Center zeitgenössischer Kunst wird von einem Konzertprogramm begleitet. Noch bis 6. Jänner können hier übrigens unerwünschte Weihnachtsgeschenke abgegeben werden, die am 7. Jänner zugunsten der "Gruft" versteigert werden.

Aufzählung Ausstellung

Young & Reckless 1:

Christoph Weber

Bawag Contemporary Barnabitengasse 11-13, 1060 Wien Bis 4. Jänner

Printausgabe vom Dienstag, 30. Dezember 2008

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