Sinnliche Spannungen


Sie ist eine Künstlerin der leisen Zwischentöne. Sie bewegt sich in den Grenzbereichen von Installationen, Performance, Video und Film: Die Rede ist von der 1955 geborenen Jana Sterbak, die 1968 aus ihrer Heimat Tschechien nach Kanada auswanderte und seither in Montreal und in Barcelona lebt.

Materialien

Vanitas: Kleid aus Fleisch für einen magersüchtigen Albino, 1987 (Zum Vergrößern anklicken)
Vanitas: Kleid aus Fleisch für einen magersüchtigen Albino, 1987 (Zum Vergrößern anklicken)
Sie verwendet so unterschiedliche Stoffe wie rohes Fleisch, Blut, Blei, Teig oder lebende Tiere. Aber auch kaum greifbare Materialien wie Elektrizität, glühende Drähte, Wärme, Geräusche und schmelzendes Eis. Durch die Verwendung solch schwer greifbarer Stoffe stellt sie das Prozesshafte, den Werkprozess, ins Zentrum ihrer Kunst.

Berühmt wurde sie 1987 mit ihrer Arbeit "Vanitas: Flesh Dress for an Albino Anorectic", einem Kleid aus rohem Fleisch. Im Haus der Kunst in München stellt sie eine Variation dieser Vanitas-Skulptur aus. Ausgedörrtes Leder tritt an Stelle des blutigen Fleisches. Langsames Absterben findet in einer gewissen Haltbarkeit sein Ende.

Der menschliche Körper

I Want You to Feel the Way I Do... (Das Kleid), 1984-85 (Zum Vergrößern anklicken)
I Want You to Feel the Way I Do... (Das Kleid), 1984-85 (Zum Vergrößern anklicken)
Bei ihrer Auseinandersetzung mit prozesshaften Arbeiten und den oben genannten Materialien steht der menschliche Körper im Zentrum. Es geht um den menschlichen Leib als Körper im Raum, seine Außengrenzen, seine Verletzlichkeit und seine Perzeption der Umwelt.

Sterbaks Arbeiten wirken zeitweise agressiv auf den Betrachter. Dann wieder umspielen und umschmeicheln sie ihn. So können Momente der Zärtlichkeit, des Rückzugs und der groben Zerstörung entstehen. Wichtig ist Sterbak die oft gefährdete Balance zwischen Geist und Körper.

Declaration und Haarhemd

Maßband Kegel, 1979 (Zum Vergrößern anklicken)
Maßband Kegel, 1979 (Zum Vergrößern anklicken)
Das Video "Declaration" aus dem Jahr 1993 zeigt einen Mann, der mühevoll nach Worten ringt. Er zitiert Passagen aus der Menschenrechts-
erklärung. Auf den Betrachter wirkt dies befremdlich, denn er stottert. Ruckartig, fast unfreiwillig, werden diese Elementarrechte der Menschheit verlesen. Es ist ein künstlerischer Beleg für deren schwierige Durchsetzung in der Realität.

Ablenkung (Haarhemd), 1992 (Zum Vergrößern anklicken)
Ablenkung (Haarhemd), 1992 (Zum Vergrößern anklicken)
Weitere Irritiationen verursacht die Fotografie "Ablenkung", auch "Haarhemd" genannt, aus dem Jahr 1992. Auf einem transparenten Leibchen, durch das die Brüste einer Frau schimmern, sind Brusthaare aufgeklebt. Weibliche und männliche Sexualattribute vermischen sich und werden erst auf dem zweiten Blick sichtbar. In diesem Spiel mit den Geschlechtern erinnert Sterbak an die Österreicherin Ilse Haider, die ähnlich irritierende Mann-Frau-Sujets in ihren Fotografien darstellt.

Denken und Darstellen

Brot-Bett, 1996 (Zum Vergrößern anklicken)
Brot-Bett, 1996 (Zum Vergrößern anklicken)
Während die Konzeptkunst der 60er Jahre der Idee vor der gestalterischen Umsetzung den Vorrang gab, ist es Sterbaks Ziel, am Ende von Überlegungen, persönlichen Begegnungen, literarischer Vorlagen und mythologischen Beispielen, den Akt des Visualisierens zu setzen. Ihre Kunst offenbart dabei neben einer technischen Präzision tiefe Poesie und Sinnlichkeit.

Sisyphus I I I , 1991
Sisyphus I I I , 1991

Tipp:

Die Ausstellung Jana Sterbak, "I can hear you think" ist noch bis zum 22. September im Haus der Kunst in München zu sehen. Bis zum 7. September stellt auch die Galerie Barbara Gross in München Arbeiten von Jana Sterbak aus.

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