„Michelangelo“ (1475 bis 1564), dieser Name bedeutet nicht nur jahrhundertelang ungebrochene Faszination, er steht auch für „ein ganz neues künstlerisches Selbstverständnis“, so Schröder. Nicht mehr Handwerker, nicht mehr Günstling, „verzichtet er auf alle Titel, alle Auszeichnungen, fühlt sich den Fürsten nicht ebenbürtig, sondern steht über all dem, der Idee allein verpflichtet“. Aus dieser Prägung des modernen Künstlerbegriffs leite sich auch der Untertitel „Zeichnungen eines Genies“ ab. Denn gerade in der Zeichnung als „Verdichtung der Idee eines Kunstwerkes“ käme „das Ganze“ des genialen Künstlers zum Tragen, unterstrich Schröder.
In dreieinhalbjähriger Vorarbeit hatten sich Kurator Achim Gnann und seine Assistentin Gisela Fischer mit Michelangelos Zeichenkunst auseinandergesetzt, alle wesentlichen Museen mit Michelangelo-Beständen, darunter die Florentiner Uffizien oder die Royal Collection der britischen Königin, der Louvre und die Casa Buonarroti, überzeugt, ihre Schätze einer „einmaligen Zusammenschau“ zur Verfügung zu stellen, so Gnann. „Wir wollten die gesamte Schaffenszeit abdecken“ - bei Michelangelo sind das 75 Jahre. Dass dennoch nur rund 600 Zeichnungen von Michelangelo bekannt sind - „es müssten 20.000 bis 30.000 sein“, so Gnann - liegt nicht zuletzt daran, dass der Meister selbst viele vernichtete.
Dass manche, gerade in den Tagen vor der Eröffnung laut gewordene Zweifler unter den Kunsthistorikern die Echtheit von einigen Zeichnungen infrage stellen - davon betroffen ist auch der Großteil jener acht Blätter, die sich im Besitz der Albertina befinden - ist für Gnann allerdings „kein Richtungsstreit“ der Kunstgeschichte, wie er hervorhob. „Die Zweifler beschränken sich auf zwei oder drei, unsere Ansicht, die wir hier vertreten, ist ein breiter Konsens unter internationalen Forschern.“ Allerdings, räumte Gnann ein, hätte man man sich „mit den Zweiflern früher dezidiert auseinandersetzen müssen“, was in der Ausstellung, im Katalog und bei einem Symposium am 19. und 20. November geschehen soll.
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