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Kunstberichte
Der Wiener Museumslandschaft stehen einige Veränderungen bevor

Worauf sie bauen können

Karikatur: Rachel Gold

Karikatur: Rachel Gold

Von Christoph Irrgeher

Aufzählung Neue Museumsbauten ändern das Machtgefüge.
Aufzählung Erste Risse im KHMReich, Raumgewinn für die Moderne.

Wenn gute Gedanken nicht ausgeführt werden, sind sie nicht besser als – gute Träume. Nimmt man Francis Bacon beim Wort, träumen die Wiener Museumsdirektoren besonders intensiv. Da werden Fusionen herbeifantasiert und Umzüge, architektonische „Rufzeichen“ und Zentren – Luftschlösser, die mit mehr als 150 Millionen Euro zu Buche schlagen würden.

Wobei nicht jeder vom gleichen Geldsack träumt, denn Museum ist nicht gleich Museum: Während die meisten großen Häuser im Eigentum des Bundes stehen, zählt etwa das Wien Museum zum Inventar der Stadt. Mancher bundesmuseale Traum dürfte in nächster Zeit allerdings Formen annehmen. Angesichts der Fülle baulicher Begierden hat Ministerin Claudia Schmied für Ende 2009 einen Masterplan angekündigt. Der lässt zwar immer noch auf sich warten, damit aber auch weiterhoffen – nämlich, dass die SPÖ-Politikerin im neuen Jahr neue Impulse für ihre Häuser setzt. Zwar hat Schmied im Herbst eine veränderte Museumsordnung erlassen. Doch die jahrelang angepeilte Großreform bleibt sie schuldig. Denn das moderate Papier ändert herzlich wenig an thematischen Überschneidungen, wie sie seit Ausgliederung der Bundesmuseen rund um das Millennium zu beklagen sind. Nun ließe sich also eine Chance beim Schopf packen, ganz nach den Worten von Mumok-Direktor Edelbert Köb: „Museumspolitik wird letztlich nicht mit Papieren gemacht, sondern über die Verteilung von Raum und Geld.“ Umso mehr, falls sich die Besucherzahlen nach den Vorjahres-Erfolgen nicht mehr steigern ließen.

Dann wären die Häuser Teile eines Nullsummenspiels um Publikumsgunst, dann entsprächen Gewinne des einen Rückgänge bei anderen – mitverursacht durch Gelder zur Attraktivitäts-Steigerung. Also viel Geld, viel Wechselwirkung? Nicht alles ist so spektakulär. So verlangt Johanna Rachinger, Direktorin der Nationalbibliothek (ÖNB), seit Jahren ein neues Depot – das sammelpflichtige Haus nähert sich der Kapazitätsgrenze. Und so verlangt Sabine Haag, seit 2009 Leiterin des Kunsthistorischen Museums (KHM), dass die Kunstkammer endlich fertig saniert wird – ein Projekt, das noch in die Ära von Vorgänger Wilfried Seipel zurückreicht.

Beiden Forderungen will Schmied nachkommen, begeistert sich aber auch für Innovatives: Stöhnte die Ministerin im Herbst auch über die „Brutalität“ von Bundesbudgetverhandlungen und knappe Mittel, befürwortete sie im gleichen Atemzug doch weitere Projekte: Ein kleines Literaturmuseum für die ÖNB einerseits; und andererseits – deutlich bedeutsamer – die Expansion des Museums moderner Kunst (Mumok). Dieses könnte im Museumsquartier um die Räume der Kunsthalle Wien erweitert werden, jene auf den Karlsplatz emigrieren. Dort ließe sich das Künstlerhaus unterkellern, um Platz für beide Institutionen zu schaffen. Ein Planspiel, das allerdings über Schmieds Kompetenzgrenzen hinausschießt: Während das Mumok zum Bund gehört, untersteht die (ebenfalls modern bespielte) Kunsthalle der Stadt. Die Gemengelage könnte erklären, warum Kunsthalle-Direktor Gerald Matt gegen die Bundespläne protestiert, während der Dialog über eine Zusammenführung doch weitergeht. Der Raum für jüngere Kunst dürfte also wachsen, auch dank eines couragierten Kraftakts: Die Belvedere-Chefin schafft Tatsachen ohne Sicherheitsnetz. Seit 2008 lässt Agnes Husslein im Schweizergarten das 20er Haus umbauen. Dafür erhielt sie acht Ministeriums- Millionen, muss die verbleibenden neun aber über Sponsoren auftreiben. Ob das Belvedere mittlerweile nah am Sollwert ist? Darüber herrscht Stillschweigen. Im schlimmsten Fall wird sich also noch zeigen, wie wichtig das Projekt der Kulturministerin ist. Die Ausstellungsobjekte sprächen jedenfalls für sich: Der Bau, der einst als Museum des 20. Jahrhunderts diente, könnte diesem Namen ab 2011 wieder gerecht werden und den Nachlass von Fritz Wotruba sowie die Artothek des Bundes beherbergen.

Dabei hat die Gegend für Planer Konjunktur: Sie ist ebenso für das Wien Museum im Gespräch, dessen Raumnot ein Neubau tilgen soll. Die Nähe zum neuen Zentralbahnhof wäre umso praktischer, als das Museum künftig auch Besucherzentrum für Touristen sein soll. Zumindest bis Mai werden Standorte sondiert. Ein Konzept, so hört man, sei aber noch ausständig. Doch wenigstens darüber braucht sich Schmied nicht den Kopf zu zerbrechen. Sie müsste per Masterplan ja noch über ein weiteres Konzept richten: die Fusion der Museen für Völkerkunde und Volkskunde am Heldenplatz, die von beiden Seiten erwünscht ist. Dass die Völkerkundler – ebenso wie das Theatermuseum – bisher unter der Leitung des KHM standen, ist offenbar kein Hindernis: Haag stemmt sich nicht gegen den Ausbruch; umso weniger, als sie die Fusion für politisch erwünscht hält. Die würde allerdings kosten – rund 23 Millionen Euro.

Wer Schmied beim Wort nimmt, darf Folgendes erwarten: Einen ersten Einschnitt in Seipels KHM-Imperium, dessen Synergien ohnehin in Zweifel stehen. Einerseits. Problematisch andererseits: Das 20. Jahrhundert wird nicht nur im Leopold Museum präsent sein (auf das der Staat wenig Zugriff hat) und in der Albertina, sondern auch im Neuland der Österreichischen Galerie Belvedere. Die könnte sich aber immerhin durch einen nationalen Akzent abheben. Auf dem zeitgenössischen Sektor wäre Entschärfung durch einen Direktionswechsel möglich: Im Dezember 2011 endet nämlich die Ära von MAK-Chef Peter Noever, der trotz Zuständigkeit für angewandte Kunst ein Faible fürs Kontemporäre auslebt. Eine Umorientierung ist Schmied ja bereits beim KHM geglückt: Unter Sabine Haag enthält sich das Haus des Blockbuster-Brimboriums und entfernt sich so von der Unternehmenspolitik der glamourösen Albertina.

Vor den Mauern dieser „grafischen Sammlung“, de facto als Universalmuseum geführt, muss eine Kulturpolitik mit der Maurerkelle freilich kapitulieren. Schmied kann die Räume kaum schleifen lassen, in denen Klaus Albrecht Schröder zugkräftige Gemälde bunkert. Allerdings: Schröder kann derlei auch nicht mehr ungefragt erwerben. Ab einer gewissen Wertgrenze bedürfen Ankäufe und Dauerleihgaben nun der Freigabe durch das Museums-Kuratorium. Ein sinnvoller Steuermechanismus? Dafür müsste die Zusammenarbeit mit diesen Kontrollgremien jedenfalls eine andere sein, als sie es derzeit ist – nämlich Glückssache. Ursprünglich für wirtschaftliche Belange installiert, bearbeiten die Fünf-Jahres-Kuratoren nun auch ein Terrain, auf dem künstlerische Kompetenz Not tut. Also ökonomische Daumenschraube statt trennscharfer Vorgaben im Gesetzestext? Immerhin, der Reformwille der Ex-Bankerin Schmied zeitigte bisher zweierlei: Dass Kollegen, einst spinnefeind, vom Gegenwind geeint wieder in einer Direktorenkonferenz sitzen – mag dies auch ein Zweckbündnis sein. Und dass diese Kollegen heute leisertreten: Skandalöse Alleingänge, wie unter der duldsamen Vorgängerin Elisabeth Gehrer, sind in der Ära Schmied kaum mehr zu verzeichnen. Und zuletzt ließe sich noch jener Urgrund sozialistischer Kulturpolitik ergänzen, auf den sich Schmied im bisherigen Reformprozess gerettet hat: die Volksbildung. Vermittlung, so heißt sie heute, steht für die SP-Ministerin an erster Stelle, darum ab heuer der Gratis-Eintritt für Unter-19-Jährige, den auch städtische Museen einführen, darum die 600.000 Euro für flankierende Projekte. Kindergeld für den Ausstellungsbetrieb? Ein löblicher Versuch. Doch wäre es auch an der Zeit, Gestaltungswillen in der Museumslandschaft zu vermitteln.

Samstag, 09. Jänner 2010 17:22:00
Update: Samstag, 09. Jänner 2010 17:32:00

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