Quer durch Galerien
Ein Bier im siebenten Monat
Von Claudia Aigner
Von manchen Gesichtern ist verdammt viel da. Im Extremfall
hat einer genug Visage, um gegebenenfalls einen ganzen Gemeindebau mit
Physiognomie zu versorgen. Weil Mimik nicht immer bloß in
haushaltsüblichen Mengen abgesondert wird. Aber Arnulf Rainer, der ja in
einem Passfotoautomaten regelmäßig seinen physiognomischen Mr. Hyde
herausgelassen hat, soll uns hier nicht weiter kümmern. Wenigstens ein
Gesicht zu besitzen, kann trotzdem hilfreich sein, wenn man darauf wartet,
dass das Vogerl kommt. Das Vogerl von Franz Hubmann zum Beispiel. Wer
hat Recht: der Fotoapparat oder der Pinsel? Darum geht es nur bedingt,
wenn in der Galerie Serafin (Florianigasse 9) neben den gemalten und
gezeichneten Porträts und Selbstporträts von H. C. Artmann bis Robert
Zeppel-Sperl ihre fotografischen Gegenstücke hängen (bis 21. Dezember).
Ein spannender Dialog. Und da kann es aufschlussreiche Überraschungen
geben. Etwa wenn Wolfgang Herzig auf einem Foto den gemalten Otto Breicha
im Rücken hat. Zumindest der Herzig glaubt, dass das der Breicha ist, was
er da gemalt hat. In Wirklichkeit ist jetzt ruchbar geworden: Breicha und
Herzig sind das doppelte Lottchen. Und der Bart vom Herzig hat ja
vielleicht auch seine Gründe, weshalb er ein bisschen so wie der
"Suppenfänger" vom Vater der Freud'schen Fehlleistung aussieht. Maria
Lassnig: Auf dem Foto hält sie ihr "Streichinstrument", den Pinsel, fast
so grazil wie eine Flöte (nur etwas besitzergreifender, sprich:
diebessicherer). Und was aus der gezeichneten "Blume" daneben herauslugt,
sind doch unverkennbar ihre Nasenlöcher. Maximilian Melcher: Auf der
älteren Fotografie hat er das satte Leben im Bauch (wenn man so will: Das
Bier unter seiner Arbeitsschürze ist im siebenten Monat). Auf seinem
eindrucksvoll düsteren Selbstporträt "Vor der Operation" ist ihm dann
sozusagen das Bier ausgeronnen. Hubmann bringt die Leute irgendwie
dazu, genau das richtige Gesicht zu machen. Franz Ringel: ein sehr
lebensnahes Gesicht. (Aus Furcht, dass man das falsch versteht, sage ich
lieber nicht: wie ein Kopfpolster nach einer schlafgestörten Nacht, also:
liebenswert zerknautscht.) In der Galerie Lindner (Schmalzhofgasse 13,
bis 22. Dezember): "Von der Ungleichheit des Ähnlichen in der Kunst." Die
verordnete Ungleichheit zwischen dem Farbpatzen von Hermann Nitsch und dem
Stahlobjekt von James Reineking zu erkennen, fällt nicht schwer. Weiter
möchte ich mich zu dieser speziellen Ungleichheit nicht äußern, weil meine
Nitsch-Allergie so unheilbar ist, dass ich keinen vernünftigen Satz mehr
über mein "Lieblings-Allergen" herausbringe. Aus den Variationen zum Thema
"Weiß" herausragend: Thomas Kaminsky. Ein Bild, das quasi nicht mit
"Perlweiß" gemalt worden ist (für wirklich weiße Bilder), sondern durch
zarte "Verfärbungen" erfreut. Farben jenseits der Zimmerlautstärke
(soll heißen: Die meisten schreien wie am Spieß): Karl Christian Pattera
(bis 22. Dezember in der Galerie am Stubentor, Zedlitzgasse 3) ist mit dem
Fotoapparat durch die Natur gepirscht, hat die Fotos am Computer radikal
verfremdet, um sie dann wie handelsübliche Gemälde auf Mal-Leinen drucken
zu lassen. In einer unglaublichen Farbbrillanz. Temperamentvoll,
stürmisch, brodelnd oder einfach intensiv verträumt sind diese
effektvollen Bilder. Elementar halt.
Erschienen am: 07.12.2001 |
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