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Subodh Gupta: Die Mona Lisa vom Karlsplatz

26.04.2010 | 19:10 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Subodh Gupta ist einer der international erfolgreichsten indischen Künstler. Ab Dienstag stellt er in Wien seine „Postkarte“ an Marcel Duchamp aus.

„Die Presse“: Berühmt geworden sind Sie mit großen Skulpturen aus typisch indischem Blechgeschirr – einem Totenkopf, einer Atomwolke. Sie bezeichneten sich als Bilder-Dieb des Dramas des Hindu-Lebens. Mit Ihrer Skulptur am Karlsplatz beziehen Sie sich jetzt auf Marcel Duchamps ironische Veränderung der Mona Lisa – er verpasste ihr einen Bart. Sind Sie jetzt zum Bilder-Dieb des Dramas der europäischen Moderne geworden?

Subodh Gupta: Genau, Sie haben recht! (Lacht.) Es ist nicht so, dass ich Duchamp nur liebe. Ich verneige mich hier vor einem Helden, einem Paten der Konzeptkunst. Wenn ich sein Werk sehe, werde ich immer sehr enthusiastisch: Als ich seine mit Bart übermalte Postkarte der Mona Lisa in London sah, wollte ich ihm sofort eine Postkarte zurückschreiben, von Künstler zu Künstler, um einen Dialog zu beginnen.

Das ist also eine dreidimensionale Postkarte? Ein wenig unhandlich so ganz in Bronze...

Gupta: Jetzt ist es eben ein offener Brief, den jeder lesen kann.

Aber glauben Sie auch, dass ihn jeder versteht?

Gupta: Ich glaube, dass ihn Leute, die sich mit Kunst auskennen, verstehen.

Aber das Werk ist im öffentlichen Raum zu sehen – die meisten werden nicht einmal Duchamp kennen, auf den Sie sich beziehen...

Gupta: Das ist wie mit Bäumen – die Leute sehen sie gerne, wissen aber auch nicht immer, wie sie heißen, welche Früchte, Blüten sie tragen etc.

Sie würden Ihre Duchamp-Mona-Lisa also auch in Neu-Delhi aufstellen?

Gupta: Klar! Man soll die Öffentlichkeit nicht unterschätzen. Die Geschichte der zeitgenössischen Kunst ist in Indien zwar nur 60, 70 Jahre alt, vorher hatten wir nur historische oder angewandte Kunst. Heute aber hat Kunst nur eine Sprache. Man versteht sie auf der ganzen Welt.

Die Kunstszene in Delhi ist aber auch heute noch, trotz des Booms, den indische Künstler international erleben, sehr konservativ. Wie entwickelt sie sich?

Gupta: Wenig, sie muss noch einen langen Weg gehen. Wir haben etwa immer noch kein einziges offizielles Museum für zeitgenössische Kunst, es ist sehr traurig.

 

Was einen als Europäer in Delhi am meisten schockiert, ist die Armut, die gleich neben dem Straßenrand herrscht. Ist das Stahlgeschirr in ihrer Arbeit eine Referenz darauf? Oder nur ein allgemeines Indien-Zitat?

Gupta: Das Geschirr ist alltäglich, selbst für die obere Mittelklasse. Aber es ist wie überall auf der Welt – ist der Teller voll, steht er für Reichtum, ist der Teller leer, für Armut.

Finden Sie es dann nicht sarkastisch, dass gerade einer der reichsten Männer der Welt, der französische Sammler und Luxusmarkenverwalter François Pinault, um hunderttausende Euro Ihren Totenkopf aus (leerem) Blechgeschirr kaufte – den „Very Hungry God“? Irritiert Sie das nicht?

Gupta: Nein. Kunst ist nicht Politik. Kunst ist Kunst. Sie kann politisch sein. Aber wenn, nur sehr langsam. Wir aber leben jetzt. Und es ist der Job der Politiker, sich um die Armut zu kümmern. Unbewusst fließt natürlich mein Umfeld ein. „Very Hungry God“ spricht aber nicht nur von der Armut in Indien, es ist ein allgemeines Vanitas-Symbol. Haben Sie die Satellitenbilder der Vulkanwolke gesehen? Sie hat ausgesehen wie ein Totenkopf! Alles ist miteinander verbunden, auch die von den Menschen und von der Natur verursachten Desaster. Es geht also nicht nur um Armut in Indien, sondern ums Universum, um künstlerische Poesie, die man nicht erklären muss.

Die Totenkopfsymbolik ist das Einzige, was mich an Ihrer Arbeit an den Engländer Damien Hirst erinnert. Sie werden aber oft als Damien Hirst von Indien bezeichnet. Warum?

Gupta: Ich verstehe es auch nicht, es ist bizarr. Ein Journalist hat das einmal geschrieben, seither schreiben das alle!

Sie sind in der indischen Provinz aufgewachsen, heute sind Sie – wie in einem Bollywood-Film – reich und berühmt. Wie kam das?

Gupta: Ich wollte immer Künstler werden. Nicht unbedingt bildender, was auch immer. Meine Familie hatte mit Kunst nichts zu tun, alle arbeiteten im Eisenbahnbereich. Ich war aber der Jüngste, hatte mehr Freiheiten – und bin einfach entwischt, weil alle so viel zu tun hatten. (Lacht.)

 

Und versteht Ihre Familie Ihre Kunst?

Gupta: Nein. Aber sie sind sehr stolz auf mich. Mein Erfolg ist ihnen wichtiger als das, was ich tue.


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