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Galerie Krobath: Graffiti auf Spitzendecke

30.01.2010 | 18:38 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Die junge bosnische Künstlerin Sejla Kameric lässt in der Wiener Galerie Krobath die Welten von Frauen und Männern aufeinanderprallen.

Wie ein Spinnennetz hängt es weiß an der Wand, liegt es schwarz, wie ein Schatten, auf dem Boden der Galerie Krobath: eine Spitzendecke. Wäre sie nicht von Sejla Kameric, der spannendsten bosnischen Künstlerin einer jüngeren Generation, hier so bedrohlich inszeniert worden, würde man sich vielleicht von der Harmlosigkeit einfangen lassen. So aber erkennt man darin vielleicht sogar das Fadenkreuz einer Waffe.

Kameric ist im Jugoslawienkrieg erwachsen geworden, sie war 16 als die Belagerung von Sarajewo 1992 begann. Ihr Vater, ein Volleyballspieler und Trainer, starb dabei. Die Tochter begann an der Akademie für bildende Künste Grafikdesign zu studieren, das freieste Fach, dass es damals dort gab, erinnert sie sich im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Und dass sie Künstlerin werden wollte, war ihr immer schon klar. „Ich war schon ein sehr stilles Kind, kommunizierte über Zeichnungen.“

Ein Jahr nach dem Krieg folgte dann die erste Ausstellungsbeteiligung. 2003 der Durchbruch: Die Plakataktion „Bosnian Girl“ machte sie international bekannt. In einer UN-Militärbaracke in Potocari entdeckte sie den sexistischen Spruch eines holländischen UNPROFOR-Soldaten. „Keine Zähne? Ein Schnauzer? Riech wie Scheiße? Bosnisches Mädchen!“ stand da auf Englisch an die Wand gekritzelt. Kameri? nahm das gefundene Zitat und hinterlegte es mit dem Foto eines sehr hübschen, sehr ernst blickenden Mädchens, ihr selbst.

Auf Plakaten und Postkarten verteilte sie das provokative Bild, es wurde zu einer Ikone der jugoslawischen Nachkriegskunst. „Ich bin glücklich, dass ,Bosnian Girl‘ immer noch relevant ist, dass die Leute danach fragen“, sagt Kameri?. Sie bekam praktisch nur positive Reaktionen darauf. Und es kamen bei der UN Nachforschungen in Gang, den Urheber herauszufinden. Ein Ergebnis sei ihr aber nicht bekannt. Stört es sie nicht manchmal, immer mit dem Thema verbunden zu werden? „Nein“, meint Kameri? entschieden. „Ich bringe mich selbst in meine Kunst ein und ein Teil von mir ist nun einmal dieser Krieg, ich kann dem nicht entkommen.“

Mit der Überlagerung vorgefundener Kulturschichten beschäftigt sie sich auch in ihrer ersten Wiener Galerieausstellung: Auf Spitzendeckchen vom Flohmarkt ließ sie von einem Sprayer aus Sarajewo männliche Vornamen sprühen – Bill, Boris, Jörg. Sie könnten jedem gehören, gehören aber auch Politikern. „Ich wollte zwei Welten aufeinander prallen lassen, die eine zerstört mit leichter Hand etwas, das für jemand anderen einmal alles bedeutet hat, Sicherheit, zu Hause, ein ganzes Leben.“ Männliche/weibliche Welten, Geschichte/Gegenwart werden so verschränkt.

Was Teilen der (männlich dominierten) Wiener Graffiti-Szene, denen Kameri?s Werke durch die Schaufenster der Galerie auffielen, anscheinend gar nicht passt: „Streetart“ gehöre nicht in eine „kapitalistische“ Galerie, schrien sie bei der Türe herein. Kameric lacht: „Unglaublich! Es ist wirklich ein schmaler Grat zwischen anarchistisch und radikal konservativ.“

Galerie Krobath, Eschenbachgasse 9, Wien 1. Di–Fr: 13–18h, Sa: 11–15h


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