Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Ausstellung

Das bedrohte Frettchen-Ich

Maria Lassnig bleibt unangepasst: "Du oder ich". Foto: Lassnig

Maria Lassnig bleibt unangepasst: "Du oder ich". Foto: Lassnig

Aufzählung (bbb) Immerhin hat es Maria Lassnig (geboren 1919) geschafft, nach ihrem 60. Lebensjahr Akademie-Professorin zu werden. Ziemlich genau ab ihrem 70. Geburtstag kam auch die internationale Karriere.

Die Spätzünder sind dabei aber eher die Veranstalter und Interpreten von Documentas, Biennalen und in den prominentesten Museen, denn Lassnig war schon vor 1960 im Art-Cub und in der Galerie nächst St. Stephan vertreten.

Mittlerweile steht die Frage, warum sie so lange übersehen wurde, auch in New Yorker und Londoner Zeitungen zu lesen. Kurator Wolfgang Drechsler, der nun die dritte Ausstellung für die bald Neunzigjährige im Wiener modernen Museum kuratiert, trifft keine Schuld. Er gehörte mit Werner Hofmann zu denen, die schon früh von der Qualität ihrer Malerei überzeugt waren.

Warum es bei einigen Künstlerinnen so lange dauert bis sie im absoluten Zeitgeist und damit im Mittelpunkt stehen, mag an der nach 1945 selbst in den USA anhaltenden männlichen Dominanz in Avantgardekreisen liegen, aber auch an den Protagonistinnen selbst.

Stile und Widersprüche

Lassnig erkannte nur langsam, dass Abstraktion und Realismus auch in Form eines Januskopfes das zwei- oder vielschichtige Dasein verkörpern. Heute stellt sie ihre wechselnden Stile und Widersprüche gelassen postmodern nebeneinander.

Sie sei schlechter drauf, wenn sie dem Realismus zuneige, meint die Malerin. Dennoch wirkt auch der Zyklus mit Modellen, der in einem heißen Sommer im Keller entstanden ist, ziemlich agil.

Selbst ihre Krankheitsphasen und die Angst vor dem Tod kommentiert Lassnig expressiv in schrillen Farbkontrasten. Keine Retrospektive zu zeigen, sondern auf Werke ab 1999 zurückzugreifen, war eine gute Entscheidung. Der Umgang der Malerin mit Aggression, mit brisanten Themen der Zeit, aber auch mit Farbe und Form ist von ihrem Alter unberührt. Die rund sechzig Gemälde auf Ebene sechs des Mumok kommen einer sarkastischen Auffassung von sich selbst und der Welt immer näher, niemand und nichts wird vor Aggression und bösen Blicken auf Fragen der Liebe oder der Naturzerstörung verschont.

Mit einer Werkgruppe schließt sie 2006/07 an ihre Strichfiguren und Trickfilme der Sechziger an, da stoßen Pop-Art, Science-Fiction und feministische Themen ungebremst aufeinander. Die Staatspreisträgerin hat trotz ihrer Nähe zur amerikanischen Frauenbewegung in den Siebzigerjahren eine Solidarisierung mit anderen Künstlerinnen immer abgelehnt. "Du oder ich" fragt ein nacktes Selbstbildnis von 2005 mit auf den Betrachter und den eigenen Kopf gerichteten Pistolen. Da lernen Frau und Mann das Fürchten vor der bösen Maria.

Aufzählung Ausstellung

Das neunte Jahrzehnt

Maria Lassnig Wolfgang Drechsler (Kurator) Zu sehen bis 17. Mai

Printausgabe vom Freitag, 13. Februar 2009

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at