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Kunstberichte

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Illustration

Gelb stinkt nicht

(cai) Manche Künstler führen sich auf wie der König Midas. Was der angegriffen hat, hat nachher auch keiner mehr essen können. Nicht dass besagte Künstler nie Umgang mit einer Seife pflegen täten (oder die Gabe hätten, alles durch bloße Berührung in Gold zu verwandeln). Schlimmer: Die müssen alles signieren , was sie in die Finger kriegen. Dann ist es Kunst und völlig unbrauchbar. Nur zum Anschauen. Gut, Lebensmittel verschonen sie meist doch im letzten Moment. Sonst müssten sie ja verhungern.

Bei Robert Adrian X ist die Sache nicht so simpel. Der Arbeitsplatz, den er "berührt" hat (Sessel, Tisch, Computer), besteht jetzt nämlich, nein, nicht aus purem Gold, aber aus purem Gelb. Na ja, gelb angestrichen ist er halt. Hat der X da ein paar schwer vermittelbare Konsumgüter in die Kunst hinein "entsorgt" oder gibt er womöglich, weil er schließlich ein Pionier der Medien- und Netzkunst ist, einem alten Weggefährten (einem verjährten PC) aus Sentimentalität das Gnadenbrot, indem er ihn zum Kunstwerk erklärt und so vor der Verschrottung bewahrt? Oder ist das schlichtweg eine Hommage an den Farbton, der irgendwo zwischen Schönbrunner und Post-Gelb liegt, und der Rest ist Schweigen oder Zufall?

Die Schuhe, die er für das Schaufenster eines Schusters signalstark bemalt und zu Segelbooten umdefiniert hat (der Beweis der Schwimmtauglichkeit steht noch aus): Konzeptkunst, Pop-Art oder Shop -Art? Dann die Andachtsplastik mit der "Urszene" des Joseph Beuys: dessen Absturz mit einem Stuka über der Krim. Für die Kunstgeschichte war das ja mindestens so bedeutend wie George Washingtons Überquerung des Delaware für den US-Patriotismus. Denn wäre der Beuys nicht von Tartaren mit Talgwickeln gerettet worden, wäre seine Kunst nicht so "fettig" gewesen. Robert Adrian X steht sicher deshalb auf ihn, weil auch sein Werk "draußen" im Leben weitergeht.

Galerie Grita Insam
(An der Hülben 3)
Robert Adrian X
Bis 23. Juni
Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr
Ein Farbenprediger.

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Die Mungobohne ist willig

(cai) "Three Billion Years of Sex" (drei Milliarden Jahre Sex): Einen Ort, der einem das Aah und das Ooh verheißt, betritt man natürlich mit erwartungsvoller Hypertonie. Um dann unzensurierte Darstellungen anzustarren von – der Mitose (Sie wissen schon: die Praktik aus dem "Kamasutra für Eukaryonten": Zellteilung). Birgitta Weimer hat noch andere "scharfe Szenen" in petto, an denen sich der kleine Molekularbiologe in uns aufgeilt (der statt durchs Schlüsselloch durchs Mikroskop spechtelt). Amöben bei der Autoerotik? Der Funke will nicht so recht überspringen. Alles so wissenschaftsbrav. Obwohl: Riechen tut’s wie in der strengen Kammer. Nach Gummi-Orgie. Überall Zellhaufen aus einschlägigem Material. Sehr gesittete Objekte allerdings. Empfänglich bin ich freilich für die Sinnlichkeit der "Samenspenden" der Landwirte. Diverse Körner (deren Namen nach schwüler Sexualmetaphorik klingen: Mungobohnen, Belugalinsen) als geballte Potenz in Wachs gegossen.

artmark galerie wien
(Singerstraße 17)
Birgitta Weimer
Bis 30. Juni
Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 14 Uhr
Sehr anständig (leider).

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Jenseits des Hühnereis

(cai) Wie verstaut man einen Menschen, der seine Anatomie kompakt zusammenklappt, am platzsparendsten? Bisher war Judith P. Fischers Lösung: in einer Eierschale, die gerade groß genug ist, dass die Infinitesimalrechnung sie noch akzeptiert. Neuerdings tendiert sie aber mehr zum "Polsterüberzug". Beziehungsweise zu einer Art Igelanzug. Einer Hülle aus flexiblen Stacheln. (Zunächst könnte man angesichts dieser Kunststoffkreaturen ja meinen, Dürers Feldhase wäre ins Silikonzeitalter herübergehoppelt.) Genau die richtige Mixtur aus Offensichtlichem und Geheimnis.

Galerie Franzke
(Himmelpfortgasse 15)
Judith P. Fischer
Bis 30. Juni
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 10 bis 15 Uhr
Menschenfreundlich.

Mittwoch, 13. Juni 2007


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