Im Gegensatz zu den Wiener Kindergärten, die
den Nikolaus abschaffen, ist sich die Österreichische
Nationalbibliothek der über den christlichen Kulturkreis
hinausreichenden Bedeutung des Weihnachtsfests bewusst. Kurator Andreas
Fingernagel hat 50 Prunkhandschriften ausgewählt, die durch ihre
seltene Präsentation in wunderbarem Zustand sind: darunter 35
Stundenbücher für adelige Auftraggeber sowie einige Armenbibeln und
apokryphe Schriften.
Alle illustrieren die Geschichten um die
Geburt Christi, die das Spätmittelalter reich ausschmückte, um das
Weihnachtsfest von der Verkündigung und Heimsuchung bis zum
Betlehemitischen Kindermord zu zelebrieren. Dabei werden Kostbarkeiten
aus eigenem Bestand, wie die Stundenbücher der Maria von Burgund und
das großformatige Antiphonar von St. Peter in Salzburg, in
ikonografischer Feinabstimmung auf die acht Stationen des Mariengebets
aufgeblättert.
Sie zeigen neben Heiligenszenen sehr viel Profanes, wie die Bräuche
um das Fest. Dazu kommt eine Fülle an Symbolik der minutiös gemalten
Tiere und Pflanzen: Rote Rosen mit Dornen deuten bereits auf die
Passion, der Hund im Fall von Herodes nicht auf Treue, sondern auf
Missgunst. Die Maler der betuchten Auftraggeber zeigen auch die
Vorurteile gegenüber Hirten: so können diese zuweilen plump und
tölpelhaft erscheinen.
Der Bening-Code
Da das den Adeligen dienende Volk nicht lesen konnte, wurde es durch
die Bilder der Armenbibeln belehrt. Darin sind auch Vergleiche zwischen
Altem und Neuem Testament enthalten – womit etwa Samson zum Vorläufer
des Heilands wird. Zudem erscheint alles in die Gegenwart des
Mittelalters übertragen: Kleider, Häuser, Brauchtum.
Trotzdem bleiben auch in anderen Handschriften die oft in
Seitenbildchen untergebrachten Vergleiche zuweilen rätselhaft: Im
"Seelengärtlein" (Hortulus animae) des flandrischen Künstlers Simon
Bening taucht nicht nur einer der ersten Schwarzen unter den Heiligen
Königen auf, sondern auch eine rätselhafte Kellerszene. Das Licht des
leitenden Sterns kommt durch ein Fenster und ein Loch in der Wand, doch
dabei ist ein Spinnennetz im Spiel, das auch im Keller neben zwei
goldenen Kornähren beschienen wird. Da gibt es noch Codes zu knacken,
auch wenn schon ein Forschungsprojekt der Akademie der Wissenschaften
und der Universität mit dem Thema verbunden ist und das wie eine
Prachthandschrift gestaltete Katalogbuch sehr viel leistet.
Die Mystiker malten in ihren Schriften die Lichtsensationen zu dem
aus, was heute unter dem Begriff "Fantasy" einen breiten Markt bedient
– die Miniaturmaler waren große Meister in der Umsetzung, egal ob mit
Gold oder Helldunkel. So ist das Plakatmotiv der Schau, das Stundenbuch
von Rouen, gut ausgewählt, denn der Maler konzentriert sich auf die
nächtlichen Lichtempfindungen. Parallel zeigt auch das Papyrusmuseum
frühchristliche Pergamente.
Christ ist geboren
Prachthandschriften
zum Weihnachtsfest
Andreas Fingernagel
(Kurator)
Bis 14. Jänner 2007
Einleuchtend.
Donnerstag, 30. November 2006