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02.08.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: "Arbeitswelten" zum Abstrampeln
VON ANITA GROSS
Die Ausstellung des neu eröffneten Steyrer Museums fordert in jeder Hinsicht - auch körperlich.

Vorbei ist es mit beschaulichen Ausstellungsbesuchen. Bei einer Station des wieder eröffneten Museums Arbeitswelt in Steyr muss man sich gar auf Hometrainer schwingen, fleißig in die Pedale treten, um eine Filmsequenz in Gang zu bringen und am Laufen zu halten. Der Eingeweihte betätigt aber nur den kleinen roten Knopf hinter den Sätteln der Ergo-Bikes und kann sich die Videos auch ohne Abstrampeln anschauen.

Die elf Bereiche der Ausstellung "working[*]world.net, Arbeit und Leben im Zeitalter der Globalisierung" haben bei allen Unterschieden eines gemeinsam: Abstrakte Themen der Arbeitswelt wie Netzwerk, Flexibilität oder Mobilität unkonventionell "fassbar" zu machen. "Es gibt keine Vitrinen und Exponate", sagt Generalplaner Arno Grünberger (Architekturbüro Spurwien). Vielmehr überlegte er, wie Begriffe dreidimensional dargestellt werden können. Was da architektonisch herauskommt, zeigt die veränderte Mittelhalle des Museums am Wehrgraben, für 1,5 Mio. Euro (gefördert von Bund, Land, Stadt, Sozialpartnern und Sponsoren aus der Wirtschaft) umgebaut: Der offene Raum in Form einer zackigen Stahlkonstruktion soll ans Möbiusband erinnern, bei dem Außen- zu Innenflächen werden und umgekehrt.

Im Zentrum: das Büro des 21. Jahrhunderts, Symbol der "Wissensgesellschaft". Zwischen "Themeninseln" mit aktivierbaren Audiotexten ein rotoranger Tresen, futuristische Barhocker und - doch - eine Vitrine: ein menschliches Gehirn. Die "Kommunikationszone", auf gut Deutsch: ein Platz für Kaffeetratsch.

Das Zukunftsbüro sei aber kein konkretes Zukunftsszenario, so Josef Weidenholzer, wissenschaftlicher Projektleiter von der Johannes Kepler Universität Linz, alle Stationen seien visualisierte Vorschläge, Ideen, die zum Nachdenken inspirieren sollen. Für ihn "der einzige Weg", sich mit Zukunft zu beschäftigen.

Ungewöhnlich der Zugang zur "Arbeitsteilung": Fünf zeitgleich gedrehte Filme zeigen als "Weltcollage" Beruf und Alltag real existierender Arbeitnehmer für die Herstellung eines Handys: einen Vorarbeiter (Sambia), einen IT-Manager (China), einen Software-Entwickler (Indien), einen Art Director (Kalifornien), einen Key-Account Manager (Wien-Simmering).

Das Museum soll europaweit Maßstäbe setzen, sagt Weidenholzer: Einzigartig neben Konzeption und Didaktik sei das Hereinholen von Künstlern, "neu, was das Thema Arbeit betrifft". Zu den acht renommierten Künstler(gruppe)n gehören Valie Export (ihre Videoinstallation zeigt Nähmaschinennadeln auf 25 Monitoren), Gerald Nestler und Sylvia Eckermann. "International einzigartig ist auch die Verbindung von technologischen Prozessen und Alltagsleben", erklärt der deutsche Sozialphilosoph Oskar Negt.

Wer genug gestrampelt und sich den Kopf über jetzige und mögliche Arbeitswelten zerbrochen hat, kann übrigens als "kosmopolitischer Nomade" in ausrangierten Lufthansa-Flugzeugsitzen sitzen oder in eine Schlafkabine kriechen - ein wenig "powernappen" . . .

www. museum-steyr.at

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