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Polke-Ausstellung in der Londoner Tate Modern

Nach dem Turner-Prize-Gewinner Wolfgang Tillmans ehrt die Londoner Tate Gallery erneut einen deutschen Künstler mit einer Retrospektive.

London (APA) - Bis zum Anfang des kommenden Jahres zeigt die Tate Modern 86 großformatige Arbeiten von Sigmar Polke. Die anhaltende Beschäftigung der wichtigsten Londoner Institution für Gegenwartskunst mit deutschen Künstlern reflektiere vor allem die Vitalität der deutschen Kunstszene, erklärte ein Sprecher der Tate.

Polke kommt mit einem großen und aktuellen Oeuvre an die Themse. Die Arbeiten, die er in der London zeigt, umfassen den Zeitraum von 1992 bis 2003. Die meisten Bilder der Ausstellung stammen jedoch aus den vergangenen drei Jahren. Typisch für Polkes Arbeiten ist die Befragung des Verhältnisses von Kunst und Wirklichkeit, von der Wahrhaftigkeit und Manipulierbarkeit der Bilder, von der Macht der Images: Seine Kunst hat auch die Kunst selbst zum Gegenstand.

In vielen seiner Arbeiten ist die rückwärtige Verstärkung der Holzrahmen durch die oft halb durchsichtige Bildoberfläche zu sehen. Häufig benutzt Polke das stark vergrößerte Raster von Zeitungsfotos: Diese von ihm oft eingesetzte Technik ist fast so etwas wie ein Markenzeichen geworden. Er lässt den Betrachter nie vergessen, dass er es mit mittelbaren Abbildern der Wirklichkeit zu tun hat.

Zu diesem Thema in seinem Werk gehört das Spiel mit naturalistischer und abstrakter Abbildung. Seine Bilder enthalten manchmal Elemente, in denen die Wirklichkeit mit fotografischer Genauigkeit abgebildet wird, dann wieder dekorative Muster wie in Tapeten oder Stoffen und schließlich unentzifferbare, abstrakte Zeichen. Manchmal fügt er alle Darstellungsformen zusammen.

In Polkes Spiel mit dem Sehen kommt auch dem Konsumenten eine Rolle zu. Je nach der Entfernung des Betrachters zu den Bildern verändern sie sich und nehmen an Deutlichkeit oder Undeutlichkeit zu.
Oft lässt sich der Künstler von Zeitungsfotos inspirieren. Mehrfach verwendete er ein Satellitenbild von zwei afghanischen Reitern. In seinem großformatigen Bild "I Live in My Own World, but it's OK, They Know Me Here" (2002) hat er die Reiter so weit abstrahiert, dass sie nur noch als Punktmengen vorhanden sind.

Wie hier setzt sich Polke, der 1941 in Niederschlesien geboren wurde, häufig mit politischen und historischen Themen auseinander. Für die Londoner Ausstellung, die zuvor in Dallas (Texas) zu sehen war, widmete er sich in einer Bildserie Fotos aus texanischen Zeitungen, in denen es um Waffen geht. "I don't Really Think About Anything too Much" etwa zeigt einen grinsenden Revolvermann vor einer Zielscheibe in Form einer menschlichen Silhouette.

Polke, der ursprünglich eine Lehre als Glasmaler absolvierte, studierte in den 60er Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie. Anders als etwa sein englischer Kollege Damien Hirst, der inzwischen 40 Mitarbeiter beschäftigt, hat Polke nur einen Assistenten. Und trotz der perfektionistisch wirkenden Oberflächen seiner dekorativen Bilder hat er bis vor einem Jahr jedes seiner Werke bis hin zum letzten Rasterpunkt selbst von Hand angefertigt. Seit einem Jahr entwickelt der Künstler mechanisch hergestellte "Machine Paintings", in denen er seine Themen mit hohem Wiedererkennungswert variiert.

Polke: "History of Everything" in der Tate Modern vom 2. Oktober bis 4. Jänner 2004.
2003-10-02 09:32:50