Ein bisschen Zeit und ein paar Sanduhren
Der Goldene Löwe der Biennale geht an den Länderpavillon
Luxemburgs - Auszeichnung auch für Fischli & Weiss
von Uta Baier
Venedig - Als heiße Favoriten für die Auszeichnung zum
besten Nationenbeitrag der 50. Biennale in Venedig wurden am
Samstagnachmittag vor allem der spanische und der dänische Pavillon
gehandelt. Den spanischen hat Santiago Sierra komplett vermauert,
den dänischen verbaute Olafur Eliasson aufwändig mit Spiegeln,
Kameras, Steinen und Licht. Er war es auch, der im Frühjahr als
erster im Pavillon gearbeitet hat. Auch für den polnischen (visuelle
Poesie mit Würfeln) und den österreichischen
(Maschinentraumungeheuer) sahen die Biennale-Vorbesichtiger gute
Chancen. Vom Luxemburgischen Pavillon war dagegen nie die Rede. Doch
er hat mit dem Beitrag von Su-Mei Tse (1973 in Luxemburg geboren und
dort und in Paris lebend) die Jury überzeugt und den Goldenen Löwen
für den besten Nationenpavillon bekommen.
Die Jury begründete ihre Entscheidung für Luxemburg und Su-Mei
Tses Klang- und Sandinstallation mit der "kraftvollen und poetischen
Verbindung von Klang, Film und Raum", die sofort die Aufmerksamkeit
des Betrachters errege. Damit hat sie eine wichtige Intention der
Künstlerin erkannt, die sich in ihren Arbeiten immer mit
Wahrnehmung, ihrer Verschiebung und mit Gegensätzen beschäftigt. Die
Räume des Luxemburgischen Pavillons hat sie durch Klänge verbunden
und in der Mitte individuelle Zeitangaben ihrer Freundinnen in
Sanduhren gemessen.
Nach Ansicht der Jury ist das Werk "Ohne Titel (Fragen)" der
beiden Schweizer Künstler Peter Fischli und David Weiss das beste
ausgestellte Werk, und so werden die beiden für ihre lange
Zusammenarbeit, für ihre Bescheidenheit, Klarheit und künstlerische
Qualität geehrt. Und dafür, dass sie Fragen stellen, "die uns
helfen, einander zu verstehen", heißt es in der Jurybegründung.
Außerdem findet die Jury, dass Fischli und Weiss das Thema der
Biennale "Träume und Konflikte" in seiner ganzen Bedeutung in ihrem
Werk am besten widerspiegeln.
Es ist ein Werk in guter Fischli & Weiss-Manier:
hintersinnig, sehr witzig, schwarz-weiß. Die beiden zeigen auf einer
schwarzen Wand wechselnde weiße Spruchbänder (als Diashow) mit
Fragen wie: "Warum muss ich immer kämpfen? Sollte ich mehr auf meine
Gefühle achten? Drehe ich langsam durch?"
Den Goldenen Löwen für den besten Beitrag eines Künstlers unter
35 Jahren teilen sich die beiden Londoner Künstler Oliver Payne
(1977 geboren) und Nick Relph (1979 geboren), die seit einiger Zeit
in der Londoner Kunstszene mit ihren Videoarbeiten über das Leben
junger Leute bekannt geworden sind und in Venedig an der sich
ständig verändernden und erweiternden Gruppenausstellung
"Haltestelle Utopie" teilnehmen.
Die Jury ehrt die beiden Videokünstler für ihre aktuellen, die
städtische Kultur reflektierenden Arbeiten, die "die Einsamkeit und
Tapferkeit der jungen Generation in einer universellen Sprache
darstellen".
Den Ehren-Löwen für ihr Lebenswerk erhielt die 85-jährige
italienische Malerin Carol Rama, die seit den Dreißigern
künstlerisch arbeitet, aber nur mäßig bekannt war, so dass diese
Auszeichnung die erste große Würdigung ihres großen, aber
schwierigen Werkes bedeutet.
Ganz im Gegensatz zu Michelangelo Pistoletto. Der gilt als einer
der wichtigsten Arte Povera-Vertreter, wurde zu acht Kunst-Biennalen
und außerdem vier Mal zur documenta in Kassel eingeladen - und
ebenfalls mit einem Ehren-Löwen ausgezeichnet.
Artikel erschienen am 16. Jun 2003 |