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Ai Weiwei: Macht, Geld und Verzweiflung in Peking

29.08.2011 | 17:57 | von Thomas Seifert (Die Presse)

Ai Weiwei sollte gemäß Haftentlassungsauflagen eigentlich schweigen: Jetzt meldet sich der chinesische Künstler und Dissident via des Magazins „Newsweek“ mit einer harschen Kritik an den Herrschenden zu Wort.

Eigentlich sollte Ai Weiwei schweigen – das war eine der Bedingungen für die Freilassung aus der 81-tägigen Haft. Aber nun hat sich der chinesische Künstler und Dissident zu Wort gemeldet, erstmals seit der Entlassung aus dem Gefängnis Ende Juni.
Die Behörden hatten ihm Steuervergehen vorgeworfen, Ai Weiwei war freilich davon überzeugt, dass seine Nörglerei den Herrschenden im Regierungsbezirk Zhōngnánh?i zu viel geworden sei. Eine der Haftentlassungsauflagen war sein Schweigen.
Doch nun hat Ai Weiwei auf der Internetseite des Magazins „Newsweek“ einen Essay publiziert: „Peking, das sind zwei Städte. Eine Stadt der Macht und des Geldes [ . . . ] und einen Stadt der Verzweiflung.“ Ai Weiwei wirft der chinesischen Regierung vor, den Bürgern ihre Grundrechte zu verwehren.  Peking sei eine „Stadt der Gewalt“, in der die Korruption blühe.
Das Rechtssystem würde die Bürger nicht vor Unrecht schützen, die Regierung unternehme nichts gegen die Korruption. Ai Weiwei spricht auch über seine Erfahrungen in der Haft. Diese habe ihn gelehrt, dass es „viele verborgene Orte“ gebe, an die Menschen ohne Identität gebracht würden. „Nur deine Familie schreit auf, dass du vermisst wirst. Aber du bekommst keine Antwort von den Behörden ( . . . ) oder vom Gericht oder von der Polizei oder der Staatsführung.“ Seine Frau habe während seiner Haft täglich solche Anfragen und Petitionen geschrieben, berichtet Ai. „Jeden Tag hat sie die Polizei angerufen und gefragt: Wo ist mein Mann?“ Doch die Antwort war stets: Schweigen.

Wanderarbeiter: Heer von Sklaven

Ai Weiwei kritisiert auch das Schicksal der Wanderarbeiter. „Jedes Jahr kommen Millionen nach Peking, um Brücken, Straßen und Häuser zu bauen. Sie sind Pekings Sklaven“, meint er: „Wem gehören die Häuser? Denen, die zur Regierung gehören, den Bossen der Kohlekonzernen, den Chefs der großen Firmen. Sie kommen nach Peking, um Geschenke zu verteilen – und das Ergebnis ist, dass die Restaurants und Karaoke-Bars und Saunen reich werden.“ Welche Konsequenzen ihm nun drohen, wisse er nicht, sagte Ai Weiwei auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters.


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