Eigentlich
sollte Ai Weiwei schweigen – das war eine der Bedingungen für die
Freilassung aus der 81-tägigen Haft. Aber nun hat sich der chinesische
Künstler und Dissident zu Wort gemeldet, erstmals seit der Entlassung
aus dem Gefängnis Ende Juni.
Die Behörden hatten ihm Steuervergehen
vorgeworfen, Ai Weiwei war freilich davon überzeugt, dass seine
Nörglerei den Herrschenden im Regierungsbezirk Zhōngnánh?i zu viel
geworden sei. Eine der Haftentlassungsauflagen war sein Schweigen.
Doch
nun hat Ai Weiwei auf der Internetseite des Magazins „Newsweek“ einen
Essay publiziert: „Peking, das sind zwei Städte. Eine Stadt der Macht
und des Geldes [ . . . ] und einen Stadt der Verzweiflung.“ Ai Weiwei
wirft der chinesischen Regierung vor, den Bürgern ihre Grundrechte zu
verwehren. Peking sei eine „Stadt der Gewalt“, in der die
Korruption blühe.
Das Rechtssystem würde die Bürger nicht vor
Unrecht schützen, die Regierung unternehme nichts gegen die Korruption.
Ai Weiwei spricht auch über seine Erfahrungen in der Haft. Diese habe
ihn gelehrt, dass es „viele verborgene Orte“ gebe, an die Menschen ohne
Identität gebracht würden. „Nur deine Familie schreit auf, dass du
vermisst wirst. Aber du bekommst keine Antwort von den Behörden ( . . .
) oder vom Gericht oder von der Polizei oder der Staatsführung.“ Seine
Frau habe während seiner Haft täglich solche Anfragen und Petitionen
geschrieben, berichtet Ai. „Jeden Tag hat sie die Polizei angerufen und
gefragt: Wo ist mein Mann?“ Doch die Antwort war stets: Schweigen.
Wanderarbeiter: Heer von Sklaven
Ai Weiwei kritisiert auch das Schicksal der Wanderarbeiter. „Jedes Jahr kommen Millionen nach Peking, um Brücken, Straßen und Häuser zu bauen. Sie sind Pekings Sklaven“, meint er: „Wem gehören die Häuser? Denen, die zur Regierung gehören, den Bossen der Kohlekonzernen, den Chefs der großen Firmen. Sie kommen nach Peking, um Geschenke zu verteilen – und das Ergebnis ist, dass die Restaurants und Karaoke-Bars und Saunen reich werden.“ Welche Konsequenzen ihm nun drohen, wisse er nicht, sagte Ai Weiwei auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters.