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"Black and White": Lichtenstein will doch nur spielen

27.01.2011 | 18:32 | BETTINA STEINER (Die Presse)

Eine weniger spektakuläre als charmante Schau präsentiert die verspielten Zeichnungen Roy Lichtensteins - und seine ersten Schritte in die Gegenständlichkeit. "Black and White" bis 15. Mai in der Albertina.

Eigentlich waren es Bäume. Gewöhnliche Bäume, von Mondrian gemalt. Wenig später waren sie schon nicht mehr so gewöhnlich, seltsam regelmäßig schienen die Äste, fast wie ein Gitter: Das war dann der letzte Schritt. Der Schritt in die Abstraktion.

Eigentlich war es ein abstraktes Werk, ein bisschen wie die Arbeiten von Jackson Pollock, nur mit breitem Strich. Aber während es im abstrakten Expressionismus um den reinen Ausdruck ging, scheinen auf den beiden Blättern Roy Lichtensteins, die derzeit in der Wiener Albertina zu sehen sind, Mickey Mouse und Donald Duck durch! Es ist der erste Schritt zurück in die Gegenständlichkeit. Einer der vielen Aufbrüche in einen neuen Realismus, die in dieser Zeit zu beobachten sind. Das Interessante bei Lichtenstein: Er war kein Jungspund mehr. Als er mit der Tradition brach, die damals Abstraktion hieß, war er Mitte dreißig.

Abstrakte Mickey Mouse

Es sind nur wenige Blätter aus dieser Serie erhalten – Lichtenstein hat die anderen vernichtet. Ein Jahr später war seine Position klar: Eine Mickey Mouse ist eine Mickey Mouse ist eine Mickey Mouse. Ein Hotdog ist ein Hotdog und ein „Crying Girl“ ein „Crying Girl“. In diesen Motiven, in ihrer nüchternen Präsentation erkennen wir „unseren“ Lichtenstein wieder: Den Lichtenstein der Comichelden in Fliegermontur. Der Frauen, in deren Augenwinkel sich die Tränen sammeln. Der antiseptischen Küsse der Werbewelt.

Wobei das, wie die Albertina in ihrer keineswegs spektakulären, dafür aber charmanten Ausstellung zeigt, nur eine Seite der Medaille ist: Pop-Art eben. In der mit der New Yorker Morgan Library gestalteten Schau liegt der Schwerpunkt dagegen, wie es einer grafischen Sammlung geziemt, auf den Zeichnungen. Und Zeichnungen sind – auch wenn es sich nicht „nur“ um Skizzen, sondern um eigenständige Werke handelt – eine flexiblere Form. Man meint, dem Künstler beim Denken zusehen zu können: dabei, wie er auf neue Lösungen kommt, ob technisch oder künstlerisch. Dabei, wie er zu „seinen“ berühmten Punkten findet, mit denen er die mechanisch erzeugten Benday-Dots der Billig-Grafik imitiert. Einmal nimmt er fast minimalistische Positionen ein, wenn er einen Golfball ums Hundertfache aufbläst, dann probiert er sich wieder an Landschaften, die in ihrer Sterilität weniger geglückt erscheinen, was ihm wohl selbst aufgegangen ist: Er komplettiert die Serie mit einem ähnlich kühl-ästhetischen Bild eines Atompilzes. Und Lichtenstein spielt: Freunden, die ihn baten, sich an einer Ausstellung zu beteiligen, schickte er ein Bildlein: „I... I'll think about it“, sagt die Sprechblase, die hier ganz für sich steht, das heißt: Sprechblase und sonst nichts außer den Pünktchen, die auch in einem anderen Bild im Mittelpunkt stehen: Man sieht sie durch ein gemaltes Vergrößerungsglas. Kleine Punkte, große Punkte und dazwischen Zwischenräume.

Albertina: „Black and White“ 28. Jänner bis 15. Mai.


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