Klagenfurt - Was ist Heimat? Ein geografischer Begriff und/oder ein psychologischer, ein emotionaler, ein politischer? Auf jeden Fall ein Geborgenheit, Sicherheit und Identität vermittelnder Sehnsuchtsort in einer globalen Welt, die in ihrer Komplexität verstörend geworden ist und von der man sich abgrenzen muss.
16 Künstlerinnen und Künstler aus Kärnten und Slowenien haben sich aus Anlass des 90. Jubiläums der Kärntner Volksabstimmung dem in diesem Lande vielstrapazierten und instrumentalisierten Thema Heimat/Domovina gewidmet.
Gegensatz zum Heimatkitsch
"Für die Künstler sind Kärntner Abwehrkampf und Volksabstimmung nur ein kleiner Teil ihres Ansatzes. Sie gehen offen und analytisch mit dem sich ständig wandelnden Heimatbegriff um", sagt MMKK-Direktorin Christine Wetzlinger-Grundig. So entsteht ein offenes und pluralistisches Bild im Gegensatz zu gesellschaftspolitischem Heimatkitsch.
Die Frage sei ja nicht zuletzt: "Wie geht man mit einem Begriff um, der auch auf das Allerschrecklichste missbraucht wurde?", erläutert Wetzlinger-Grundig. Dazu finden sich in der Schau teils ironische, humoristische und kritische Ansätze. So etwa zielt Ines Doujaks Arbeit auf die Sichtbarmachung des politischen Missbrauchs des Heimatbegriffs ab. Sie zeigt einen Roma-Schauspieler, der während eines Fotoshootings Paintball-Beschüssen ausgesetzt wird. Durch die Hakenkreuze auf seinem Poncho werden seine Abwehrbewegungen assoziativ zu einem Tanz um Leben und Tod, dessen Ende KZ-Kommandanten willkürlich bestimmen konnten.
Ganz anders Ina Loitzl, die die Einrichtung eines Heimatmuseums persifliert, um damit das heimattümelnde "Brettl vorm Kopf" sichtbar zu machen.
Die slowenische Künstlerguppe Irwin versuchte es provokanter: Entlang des Neuen Platzes in Klagenfurt sollten sämtliche deutsche Straßennamen und Aufschriften vorübergehend in slowenische ausgetauscht werden. Das missfiel allerdings der Klagenfurter Stadtverwaltung, und so wurden lediglich zwei identische Foto-Poster angefertigt - jeweils mit deutschen und slowenischen Aufschriften.
Für schmerzvolle Heimaterinnerung steht Reimo Wukonig mit seiner Fotografie eines nackten, bloßgestellten Heimzöglings, neben ihm Orgelpfeifen, die auf die katholische Kirche hinweisen. Der Slowene Tadej Pogacar widmet sich mit seinen Kitchen Beauties dem heimatlichen Herd und entlarvt so die nostalgisch-heile Welt der Familie als politischen Kampfbegriff.
Während Meina Schellander in ihrer Raum-Ton-Installation auf die sprachliche und kulturelle Mischung Kärntens eingeht, findet Cornelius Kolig seine Heimat im Körper und dessen elementaren Lebensprozessen von Geburt, Nahrungsaufnahme und Tod. Letzte irdische Station stellt ein hölzerner Sarg dar, über dem ein Gärbehälter hängt, aus dem man Gärgas inhalierend schmerzlos ins Jenseits entschlüpfen kann.
Mit der psychologischen und politischen Funktion der Grenze setzen sich Inge Vavra und Ernst Logar auseinander. Vavra sucht sich dabei bildlich von ihrem Vater abzugrenzen, Logar wollte fiktive Demarkationslinien durch Klagenfurts Stadtmitte ziehen. Auch dieses Projekt, musste fallengelassen werden und ist nun ausschließlich im MMKK zu sehen. Zu guter Letzt lädt Jochen Traar in ein aus den Sechzigerjahren nachgebautes Fremdenzimmer ein, in dem man tatsächlich übernachten kann - eine Anspielung auf das Tourismusland Kärnten.
Interessenten mögen sich im Klagenfurter Arcotel Moser-Verdino melden. Summa summarum lautet die Antwort der Künstler: Heimat ist überall dort, wo man sie findet. (Elisabeth Steiner, DER STANDARD - Printausgabe, 22. September 2010)
Bis 28. November.
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