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Kunstberichte
Galerien live

In Pekingentenhausen

Aufzählung (cai)Womit man derzeit in der Galerie Winter konfrontiert wird, das ist so dekadent wie handkoloriertes Blümchen-Toilettenpapier. Oder ein Wettex mit gesticktem Monogramm. Na ja, eigentlich ist es viel eher provokant. Als würde man in eine Champagnerflasche Bier hineinfüllen. Oder in einem Vier-Hauben-Restaurant mit den Fingern .. . ach, in der Nase bohren? Falsch. (Außerdem bräuchte man dafür ja nur einen Finger.) Damit zu essen würde völlig genügen.

Lei Xue schändet also Ming-Vasen. Tschuldigung, er aktualisiert sie. Zunächst sieht man freilich nix als artiges Porzellan. Und fragt sich: "Was will uns der Hubert Winter, indem er so was Braves ausstellt, bloß sagen? Dass er auch so einer ist, der täglich die Fünf Tibeter übt?" Doch sobald man sich näher heranwagt, erkennt man .. . nein, nicht dass es sich in Wahrheit um Ketchupflaschen aus Plastik handelt. Der Lei Xue ist zwar ein begnadeter Illusionist (er kann den blauweißen Stil des uralten Geschirrs perfekt imitieren), aber Zauberer ist er keiner. Trotzdem staunt man nicht schlecht, im kobaltblauen Dekor Comicstars in kompromittierenden Situationen vorzufinden. Als Sexbestien, Kapitalisten, Alkoholiker und Terroristen.

Donald Duck und Daisy benehmen sich sehr unplatonisch. Okay, in Entenhausen rennen sie ja auch dauernd "unten ohne" herum (ohne Socken?). Zeigen ungeniert ihr Bürzel her. Manche Szenen sind geradezu apokalyptisch. Donald führt sich (im Suff?) auf einer kolossalen Weinflasche auf wie dieser Kung Fu, äh: King Kong, auf dem Empire State Building. Doch die größte Provokation ist es wohl, uns in dieser hektischen Zeit so beschauliche Objekte vorzusetzen. Immerhin braucht der Blick für jedes fast so lange wie der Mund für eine Tasse Tee. Wie Lei Xue hier Tradition und Moderne, Ost und West vereint, ist g’scheit, witzig und handwerklich sowieso tadellos. (Ähm, heißt Photoshop auf Chinesisch am End’ gar "Photo-Chop-Suey"?)

Galerie Hubert Winter

(Breite Gasse 17) Lei Xue Bis 23. Dezember Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr Sa.: 11 – 14 Uhr

Blondine auf der Erbse

Aufzählung (cai)Welches Adjektiv beschreibt die Bilder vom Martin Schnur am treffendsten? Oberflächlich, oberflächlich oder oberflächlich? Hm. Ich tippe auf: oberflächlich. Gut, nicht jedes Kunstwerk muss über innere Werte verfügen. Und mit der äußeren Schönheit bin ich hier durchaus zufrieden. Die Motive selbst dürften ja eher ein Vorwand sein. Für gschmackige Farb- und Lichteffekte. Wie ich darauf komme? Weil sich folgende Frage nicht eindeutig beantworten lässt: Was ist erotischer – die Hand des Künstlers oder der Hintern des Modells? Mit der Hand des Künstlers meint man natürlich die Art, wie er malt. Und die ist so sinnlich und intim, der Pinsel hat sozusagen Blümchensex mit der Leinwand. (Das klingt vielleicht nicht so, soll aber ein Kompliment sein.) Gustostückerln der puren Malerei. Manchmal möchte man allerdings schon wissen, worum es da geht. Was hat es etwa zu bedeuten, wenn eine nackerte Blondine auf den Scherben eines Spiegels sitzt (Titel: "Wienerische Variante der Empfindsamkeit")? Dass ein Wiener Mädel halt nicht so empfindlich ist wie die Prinzessin auf der Erbse?

Galerie Feichtner

(Seilerstätte 19) Martin Schnur Bis 12. Dezember Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr Sa.: 10 – 16 Uhr

Klingeln tötet die Musik

Aufzählung (cai)Sinasi Bozatli ist eindeutig musikalisch. Und solange in seinen duftigen Wolken aus sentimentalen "Flüsterfarben" ein paar kräftige Töne (ein Sopranrot oder Tenorblau) ein bissl Krach machen, ist alles bestens. Und wenn er in freien Rhythmen improvisiert. Aber wenn sich die Farbe in Schlingen oder Ringe hineinkrampft, ernüchtert das schlagartig. Wie irgendein blöder Klingelton, der einem das schöne Konzert ruiniert, weil er einen abrupt aus der Stimmung herausreißt. Schad.

Galerie Sur

(Seilerstätte 7) Sinasi Bozatli Bis 15. Jänner 2010 Di., Do., Fr.: 14 – 19 Uhr Sa.: 10 – 13 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 09. Dezember 2009

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