Kultur

Die Geschichte ist voller Rätsel

23.10.2007 | SN
Ein neues Buch über den Kunstbestand des Landes Salzburg soll Rätsel über die Sammlungswirren der Jahre 1939 bis 1955 lösen. Bisher gab es keine Ansprüche.

ERNST P. STROBL SALZBURG (SN). Die Chancen, dass man als Anspruchs- oder Erbberechtigter Kunstwerke umstrittener Provenienz vom österreichischen Staat zurückerstattet bekommt, sind besser als je zuvor. Sogar wenn es eher gutwillig geschieht als auf Grund der Faktenlage - da sei das Munch-Bild aus dem Belvedere erwähnt, das der Enkelin von Alma Mahler vor wenigen Monaten nicht unumstritten übergeben wurde -, ist die Bereitschaft des Staates groß, die dunklen Flecken zu beseitigen.

Im Internet ohneReaktion veröffentlicht Das Land Salzburg stellt seit Jahren Kunstwerke aus dem Sammlungsbestand ins Internet - und keiner erhebt Anspruch. Ist also alles rechtens? Ist der Sammlungsbesitz, verstaut im Museum der Moderne und in der Residenzgalerie, nur mehr von "sauberen" Bildern bevölkert? Es ist verständlich, wenn man das so verstanden haben will, und als die Salzburger Politiker Othmar Raus (SPÖ) und Wilfried Haslauer (ÖVP) am Montag zum Pressegespräch luden, wollte man die Zufriedenheit eines "reinen Gewissens" vermitteln. Es galt das Buch vorzustellen, das der Provenienzforscher Gerhard Plasser und Roswitha Juffinger, Direktorin der Residenzgalerie, im Auftrag des Landes verfasst bzw. herausgegeben haben.

Der Band "Salzburger Landessammlungen 1939-1955" umfasst einen Zeitraum, der bis heute für Unklarheiten sorgt, da die Raubzüge der Nazis und ihrer Mitläufer sowie die Erpressungen und "Kunstankäufe" kaum überschaubare Ausmaße annahmen. Und nach dem Krieg konnte die Wanderung der Kunstgüter natürlich nicht in allen Fällen nachvollzogen werden, da ehemalige Kunstbesitzer im schlimmsten Fall in den KZ ermordet worden waren. Die Alliierten hatten bereits 1944 festgelegt, dass alle - also auch die "legal erworbenen" - Kunstwerke an die jeweiligen Staaten zurückzugeben wären. Was Salzburg betrifft, hatte vor Jahren schon Gert Kerschbaumer darauf hingewiesen, dass man Sammlungsbestände aus französischem Besitz nur widerwillig zurückgab oder gar nicht. Bis heute sind solche Bilder in Salzburger Sammlungsbesitz. Der Urheber fast aller bis heute nachwirkenden Schwierigkeiten, die Bilder an rechtmäßige Besitzer auszufolgen, war der Salzburger Kunsthändler Friedrich Welz. Mit ihm und seinen Machenschaften wurde die Geschichte der Salzburger Kunstsammlung zu einer Geschichte des Unrechts. Welz "arisierte" die Galerie Würthle in Wien, hatte während der NS-Zeit die Salzburger Landesgalerie geleitet und war als Chefeinkäufer für die nationalsozialistische Prominenz mehrfach nach der Besetzung von Paris in die französische Hauptstadt gereist, um dort beschlagnahmte oder erbeutete Kunstwerke aufzukaufen. Die besten Geschäfte machte Welz mit sich selbst in seiner Doppelfunktion als Händler und Sammlungsleiter, der aus eigenem Besitz Kunst ankaufte. Auch Teile der Sammlung des 1942 in Theresienstadt ums Leben gekommenen Zahnarztes Heinrich Rieger kamen so in Salzburger Besitz. Im Museum der Moderne werden derzeit die Zeichnungen und Aquarelle von der Provenienzforscherin Susanne Rolinek durchleuchtet. Die teils vom Land, teils von einer Schweizer Privatstiftung finanzierte Arbeit könnte im Zusammenhang mit Rieger noch einiges zutage fördern .

Bereits erschienen sind zwei Bände zur Gemälde- und Objektesammlung des Museums der Moderne. Was den neuen Band zur Sammlung 1939 bis 1955 betrifft, hält LH-Stv. Othmar Raus zwar die Sache mit "99,9 Prozent" für aufgeklärt, dennoch, "ein Schleier bleibt". Die Residenzgalerie war 1939 geschlossen worden, das Gebäude nützte Gauleiter Friedrich Rainer. Sein Nachfolger als Gauleiter, Gustav Adolf Scheel, war übrigens über die chaotische Geschäftsführung von Friedrich Welz erbost und ließ sie prüfen. Das Buch enthält auch eine Biografie zu Lea Bondi-Jaray. Der Name der Kunsthändlerin war seit der Beschlagnahme von Schieles "Bildnis Wally" in New York erneut zu Bekanntheit gelangt, bis zum heutigen Tag kämpfen sowohl die Erben von Bondi als auch der Wiener Rudolf Leopold um das Bild, das einst Friedrich Welz von Bondi "erworben" hatte.

Sogar bei einem Klimt gibt es Unklarheiten Neue Details erbrachten auch die Nachforschungen in Den Haag im Zusammenhang mit dem jüdischen Kunsthändler Myrtil Frank, der "andere Juden ans Messer geliefert" (Juffinger) hatte und später untergetaucht war. Da gibt es exemplarische Unklarheiten: Eine Bleistiftzeichnung "Feste Hohensalzburg" von Carl Spitzweg trägt den Vermerk "M. Frank, Hilversum". Frank wohnte aber in Den Haag, in Hilversum war kein Sammler oder Kunsthändler dieses Namens bekannt. Da steht auch ein akribischer Provenienzforscher wie Gerhard Plasser am Ende der Sackgasse.

Der Spitzweg ist nicht allein, 175 Werke wurden nun erforscht, und bei über 50 Prozent konnte nicht die allerletzte Klarheit ihrer Geschichte gefunden werden. Nun kommt es darauf an, ob jemand Anspruch erhebt oder ob sich weiterhin niemand meldet. Bei Gustav Klimts Bild "Litzlberg am Attersee" gab es keine Unterlagen für die Provenienz, bis jetzt erhob niemand Anspruch. Bei allen Bemühungen: Die Bestände des Salzburg Museums harren ebenso einer Aufklärung wie die komplette Landessammlung nach 1955.

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