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Kunstberichte

Kalifornien im Fokus

Die Kunsthalle zeigt eine große Retrospektive über Raymond Pettibon
Illustration
- Pettibon: Ohne Titel, 2003.  Foto: Courtesy Galerie Meyer Kainer

Pettibon: Ohne Titel, 2003. Foto: Courtesy Galerie Meyer Kainer

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Im herbstlichen Amerika-Schwerpunkt der Kunsthalle bildet er das Epizentrum: der Zeichner Raymond Pettibon, der seit seiner Jugend Kalifornien im Fokus hat.

Für die Kunsthalle hat er vor Ort mit einem bunten, gepinselten Doppelbild seine Heimat beschrieben: Surfer, Badende, Fahrräder und mitten in der heilen Freizeitkultur ein Bodybuilder. Es ist nicht nur Arnold Schwarzenegger, der einen Österreichbezug herstellt – auch die Besatzungszeit, Johann Strauß und Sigmund Freud sind für ihn Thema.

Den Nationalsozialisten stellt er den Stalinismus gegenüber und schließt die McCarthy-Ära und Vietnam an. Jedes der meist kleinformatigen Blätter besteht aus einer raffinierten Kombination von Schrift und Bild, zuweilen parallel laufend, aber auch völlig unabhängig an die Assoziationskraft appellierend. Politikkritik ist nur eine Seite seiner von der frühen Comic-Szene angeregten Mikrokosmen. Noch wesentlicher scheint die Punk- und Hippieszene seine Jugend bestimmt zu haben. Sie ist Ausgangspunkt seiner Zeichenkunst.

Große Retrospektive

Die erste große Retrospektive im deutschsprachigen Raum beginnt mit Plattencovers und kleinen kopierten Heftchen, die in den Siebzigerjahren entstanden sind. Erst mit der Ausstellung "Helter Skelter" 1984/85 wurde er schlagartig bekannt und widmete sich nach Gebrauchsgrafik und davor einem Ökonomiestudium, Mathematikunterricht, Holzfällen oder Zeitungsherausgabe nur mehr der Kunst. Chronologisch ist die Schau allerdings dann nicht mehr gehängt, sondern in verschiedenen Themenfeldern von "American Gothic" über Männer und Sporthelden bis zur Hippiekultur.

Religion und Sexualität, Literatur und Gangstersprache, Comic und Film noir begleiten die Zeichnungen genauso wie viele Vorbilder aus der bildenden Kunst, die er teils imitiert, aber auch gleichzeitig kommentiert. Die Kuratoren Gerald Matt und Thomas Mießgang bezeichnen ihn als zeitgenössischen Goya. Pettibon, von seinem Vater als der "kleine Gute" (Petit bon) bezeichnet, schrieb auf einer Zeichnung von 1983: "Oh well, at least, I got to see Vienna." Nun ist er hier.

Raymond Pettibon

Kunsthalle Wien

Kuratoren: Gerald Matt,

Thomas Mießgang

Bis 25. Februar

http://www.kunsthalle.at

Nachtmythen.

Freitag, 13. Oktober 2006


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