Im herbstlichen Amerika-Schwerpunkt der
Kunsthalle bildet er das Epizentrum: der Zeichner Raymond Pettibon, der
seit seiner Jugend Kalifornien im Fokus hat.
Für die Kunsthalle hat er vor Ort mit
einem bunten, gepinselten Doppelbild seine Heimat beschrieben: Surfer,
Badende, Fahrräder und mitten in der heilen Freizeitkultur ein
Bodybuilder. Es ist nicht nur Arnold Schwarzenegger, der einen
Österreichbezug herstellt – auch die Besatzungszeit, Johann Strauß und
Sigmund Freud sind für ihn Thema.
Den Nationalsozialisten stellt er den Stalinismus gegenüber und
schließt die McCarthy-Ära und Vietnam an. Jedes der meist
kleinformatigen Blätter besteht aus einer raffinierten Kombination von
Schrift und Bild, zuweilen parallel laufend, aber auch völlig
unabhängig an die Assoziationskraft appellierend. Politikkritik ist nur
eine Seite seiner von der frühen Comic-Szene angeregten Mikrokosmen.
Noch wesentlicher scheint die Punk- und Hippieszene seine Jugend
bestimmt zu haben. Sie ist Ausgangspunkt seiner Zeichenkunst.
Große Retrospektive
Die erste große Retrospektive im deutschsprachigen Raum beginnt mit
Plattencovers und kleinen kopierten Heftchen, die in den
Siebzigerjahren entstanden sind. Erst mit der Ausstellung "Helter
Skelter" 1984/85 wurde er schlagartig bekannt und widmete sich nach
Gebrauchsgrafik und davor einem Ökonomiestudium, Mathematikunterricht,
Holzfällen oder Zeitungsherausgabe nur mehr der Kunst. Chronologisch
ist die Schau allerdings dann nicht mehr gehängt, sondern in
verschiedenen Themenfeldern von "American Gothic" über Männer und
Sporthelden bis zur Hippiekultur.
Religion und Sexualität, Literatur und Gangstersprache, Comic und
Film noir begleiten die Zeichnungen genauso wie viele Vorbilder aus der
bildenden Kunst, die er teils imitiert, aber auch gleichzeitig
kommentiert. Die Kuratoren Gerald Matt und Thomas Mießgang bezeichnen
ihn als zeitgenössischen Goya. Pettibon, von seinem Vater als der
"kleine Gute" (Petit bon) bezeichnet, schrieb auf einer Zeichnung von
1983: "Oh well, at least, I got to see Vienna." Nun ist er hier.
Raymond Pettibon
Kunsthalle Wien
Kuratoren: Gerald Matt,
Thomas Mießgang
Bis 25. Februar
http://www.kunsthalle.at
Nachtmythen.
Freitag, 13. Oktober 2006