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04.11.2005 - Kultur&Medien / Literatur
Nachruf: Wohnhaft in Wien, beheimatet in zwei Sprachen
Der Südtiroler Autor Gerhard Kofler starb am Mittwoch in Wien.

Am Tag, bevor er starb, hat Gerhard Kofler seinen letzten Gedichtband beendet. "Traumrosen" erscheint im Frühjahr im Wieser Verlag, der eben erst sein "Notizbuch der Wasserrosen" und davor den Band "Poesie von Meer und Erde" herausgebracht hat. Den "Zweisprachen-Kofler" nannten manche den Lyriker aus dem Süden, zwecks Unterscheidung von seinem Schriftstellerkollegen Werner Kofler. Seine Gedichte und Essays schrieb der Südtiroler auf Deutsch und Italienisch, übersetzte sie selbst von einer Sprache in die andere. Die Zweisprachigkeit war Kofler Programm, auch politisch. Dass die Südtiroler Gesellschaft eine Sprachgemeinschaft geworden sei, verdanke sie nicht zuletzt diesem Dichter, meinte einmal der Kritiker Helmuth Schönauer.

1949 in Bozen geboren, wuchs Kofler zunächst in Brixen auf, studierte in Innsbruck und Salzburg Germanistik und Romanistik. Seit 1978 lebte er als Autor, Literaturkritiker, Übersetzer (etwa von H. C. Artmann, Ernst Jandl oder Friederike Mayröcker) und Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung in Wien, aber im Mittelpunkt blieb die literarische Auseinandersetzung mit der Heimat Südtirol: etwa in den Gedichtbänden "Südtiroler Extravaganzen" (1981), "Die Rückseite der Geographie" (1988) oder in der Ende der Neunzigerjahre erschienenen "Kalender-Trilogie".

Als Kommissionsmitglied des Sozialfonds der Schriftsteller habe er sich sehr für seine Kollegen eingesetzt, betont Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen Autoren. "Dieser Teil seiner Arbeit überlagerte nur allzu oft seine Bedeutung als Lyriker und Übersetzer." An Auszeichnungen fehlte es dennoch nicht, 1997 erhielt Gerhard Kofler etwa den Österreichischen Förderungspreis für Literatur, 1999 das Ehrendoktorat für Literatur.

Donnerstagnacht starb Gerhard Kofler nach kurzer, schwerer Krankheit im Wiener AKH. Eine der "Italienischen Abschweifungen über Provinz, Welt und Poesie" seines "Notizbuchs der Wasserrosen" lautet: "Sich mehr vom Meer erwarten zu können als von der Erde, das ist ein Dichtertraum." Bleibt die Hoffnung, dass er sich erfüllt hat. sim

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