Quer durch Galerien
Weil Flugzeuge keine Eier legen
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Blöd. Das "Department of Cryptozoology" ist nicht echt. Im
Potemkin’schen Büro sitzt nicht einmal Mark Dion. Ein Künstler verlässt
sein Werk ja meist, sobald es fertig ist. Jens Preusse/Galerie Kargl
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Von Claudia Aigner
Was für verheerende Auswirkungen schon ein einziger Schwarzfahrer
haben kann, weiß zumindest einer: Jeff Goldblum. Seit seinem
horrorfilmreifen "Verkehrsunfall". Denn zu spät hat er bemerkt, dass
sein Sitzplatz überbucht war. Nein, vielmehr dass eine Fliege ohne
Fahrkarte in sein Abteil (und kurz darauf in seine DNS) eingestiegen
ist, nämlich in seinen Teleporter, der den Insassen atomisiert und in
einem andern Fahrgastbehälter am Zielort naturidentisch wieder
zusammensetzt. Fast so toll, wie von Scotty auf die "Enterprise" (oder
meinetwegen auf die ISS) "gefaxt" zu werden.
Weil nun aber das Gerät die überzähligen Puzzleteile, die
Fliegenmoleküle, einfach nach intuitivem Ermessen in besagten Jeff
Goldblum eingebaut hat (nach der Devise "Vielleicht merkt’s ja
keiner"), mutierte Herr Goldblum, dank des blinden Passagiers in seinem
Genom, zu einem monströsen, jeder Fliegenklatsche entwachsenen
Quälgeist. Und bevor er in seine zweite anale Phase verfiel und jedem
Kuhhintern wie magnetisiert folgen musste, um ungeduldig wie eine
Schmeißfliege auf die Bescherung zu warten, verabreichte ihm Geena
Davis den Gnadentod.
Gut, Jeff Goldblum haben sie bis "Jurassic Park" (nein, sogar schon
früher) wieder hingekriegt. In den USA gibt’s halt ganz tolle
Maskenbildner. Aber das tröstet die Guamrallen und Marianenkrähen auch
nicht, die gerade von einstigen blinden Passagieren ausgerottet werden.
Galerie Kargl: Schlangen sind total unmusikalisch
Die fatale Braune Nachtbaumnatter kam im Zweiten Weltkrieg als
illegale Einwanderin, an Bord von nichtsahnenden amerikanischen
Transportflugzeugen, auf die Pazifikinsel Guam. Und weil ihre
Essgewohnheiten die Kapazitäten der ortsansässigen Lieferanten
überstiegen haben (zumal sich hier die Lebensmittel durch
geschlechtliche Fortpflanzung vermehren und dann auch noch Eier legen
müssen), hat die Schlange inzwischen den dortigen Luftraum weitgehend
kahlgefressen. Die amerikanischen Militärflugzeuge hat sie natürlich
verschont. Doch die können ja nicht einmal zwitschern (genauso wenig
wie die unmusikalischen Schlangen).
Und weil die Nattern die riesigen Militärvögel nicht als Beute
akzeptieren und nie versucht haben, sie auf dem Flugplatz
runterzuwürgen (und sich dabei folglich nie tödlich verkutzt haben),
hat Mark Dion , der uns eindringlich für die Belange der Natur
sensibilisiert, einige Baumschlangen gelyncht. An einem Baum
aufgeknüpft. Oder eigentlich sind es Plastikschlangen und er hat die
ausgeschalteten Singstimmen des immer eintöniger werdenden Waldchors
von Guam nur symbolisch gerächt: "Monument to the Birds of Guam."
Bis 20. August zeigt Galerist Georg Kargl (Schleifmühlgasse 5) eine
kleine Auswahl seines persönlichen Geschmacks, wie das im Sommer halt
so üblich ist. Und da sind eben recht charismatische Objekte dabei, die
die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters aufsaugen. So gesehen trieft
auch Thomas Lochers schriftintensives "Psycho-Opus" (Titel:
"Offen/Geschlossen") wie ein volles, tropfnasses Wettex, das jemand an
die Wand gehängt hat. Und ich, die ich immerhin eine Viertelstunde
davor verbracht habe (weil ich eine Genussleserin bin), hab’ mich
direkt gewundert, wieso das Ding nicht schon ein Lackerl auf dem Boden
gemacht hat.
Der Menschheit tief unter die Haarwurzeln blicken
Das Ding: Ein handelsübliches Qualitätsfenster, die Scheiben
vollgeschrieben mit auratischen Begriffen, die der Menschheit tief in
die Seele (oder unter die Haarwurzeln) blicken. So etwas wie ein Sach-
und Personenregister der menschlichen Psyche oder des Innenlebens eines
Psychologen: Aha-Erlebnis, Bettnässen, Elektroschock, Fehlleistung –
und quasi aus dem "Verzeichnis lieferbarer Personen" sind dabei: Es,
Ego und Über-Bewusstes. Oder es liest sich wie die Mitschrift des
Zungenredens eines zwangsneurotischen Psychologiestudenten, der den
gesamten Prüfungsstoff alphabetisch aufsagen muss.
Wie dem auch sei: Die formal nüchterne, aber tiefgründige
Fenster-Metapher hab’ ich mir ohnedies, meinem Bedürfnis nach Action
entsprechend, ausgeschmückt. Eine Leiter stellte ich dazu, mit einer
lebensgroßen Sigmund-Freud-Puppe in Lederhosen drauf, die zünftig
fensterlt und Einlass begehrt in die Wohnung des Ödipuskomplexes und
des Es. Und daneben werfen ein paar Psychiater in weißen Kitteln keine
Steinderln, sondern Psychopharmaka aufs Fenster, um sich bemerkbar zu
machen.
Liebling, ich habe den Manet geschrumpft
Die weniger aufdringlichen Stücke müssen aber nicht unscheinbarer
sein. Kein Mauerblümchen, sondern auf raffinierte und zugleich
watscheneinfache Art konzeptuell (und dabei nicht ohne intelligente
Ironie) ist etwa Stephen Prinas erfolgreiche Schrumpfung von Manets
Gesamtwerk, das jetzt in einen einzigen Bilderrahmen passt. Genau
genommen hat er die 556 Gemälde maßstabsgetreu (wie ja auch auf
Landkarten die einzelnen Länder – Platz sparend – nicht in
Originalgröße abgebildet sind) auf ein Blatt Papier gedruckt. Freilich
als abstrakte, monochrome Bildchen, kurz: ohne Inhalt.
Daneben: eine gerahmte Tabula rasa (die Nummer 84 des Werkverzeichnisses) in den korrekten
Ausmaßen. Ein Blumenstillleben, das trotz fehlender Flora die Aura des
Originals hat. Aber wenn man einem gut dressierten Kunsthistoriker, der
mindestens alle Bände der Propyläen-Kunstgeschichte im Hirn hat, eine
leere Leinwand hinhält und sagt: "Das ist Manets ,Frühstück im
Freien‘", dann müssen nicht einmal die "Hauptstädte" (die Augen des
Nackerpatzls) als geografische Anhaltspunkte eingezeichnet sein. Dann
wird er das Bild sowieso in voller Pracht vor sich sehen und es wird
ihm womöglich kein Unterschied zum "echten" Manet auffallen.
Georg-Kargl-Box: Der erotischste aller Türknäufe
Im Grunde ist’s ja wirklich ein strenggeometrisches Rasterbild zum
Reingehen. Nur der perfekte, geradezu erotische Türknauf outet eine der
"abstrakten" Flächen als Tür (und der kleine Kerl liegt so sinnlich in
der Hand, dass seine Verweildauer im Greifwerkzeug des Eintretenden
bestimmt länger ist als die von üblichen Knäufen, dass beinah schon der
Tatbestand des unsittlichen Berührens einer Haustür erfüllt ist). Und
ganz oben verführen auch noch zwei scharf nach hinten gekippte Spiegel
(was Anklänge an die Loos-Bar nicht komplett verleugnen kann).
Ja, Richard Artschwager hat der nagelneuen Kargl-Box (der niedlichen
Kargl-Filiale gleich neben der "großen Galerie") eine Fassade voll
edler Klarheit gegeben. Da bin ich voll des Lobes. Was Koenraad
Dedobbeleer aber drinnen angestellt hat (in der einweihenden
Ausstellung) . . . Eine armselige Installation aus erbärmlichen
Objekten, die sich irgendwie auf ein Foto von einer Auktion bei
Sotheby’s beziehen sollen, verunstaltet das hübsche Schmuckkästchen.
Bis 20. August.
Freitag, 29. Juli 2005