Quer durch Galerien
Wem der Urknall entfleucht . . .
|
"Schleimscheißen" von Karin Frank. Galerie Mario Mauroner
|
|
Was macht der Schiele (von Karin Frank) da auf dem Einkaufssackerl? Er wird doch wohl artig sein? Galerie Mario Mauroner
|
|
Wie Geschenkbänder im Wind: Dieses perfekt durchkomponierte Opus von
Yvonne Simon heißt "Rote Sinnlichkeit" und ist virtuos dekorativ.
Galerie Frey
|
Von Claudia Aigner
Da gab es doch einmal so ein praktisches Haustier, das die Schulden
von seinem Herrl beglichen hat und obendrein noch Taschengeld
produzierte (vermutlich in seinem Magen). Kurz: Dem Viecherl kam das
Nulldefizit (und bei richtiger Dressur sogar ein saftiger
Budgetüberschuss) hinten heraus wie den weniger praktischen Haustieren
die Jauche. Könnte da vom Sparschwein die Rede sein?
Nein, das zahlt doch nicht einmal Zinsen, geschweige denn, dass ihm
vor seinem Schlachttag irgendetwas entkommen würde, so gnadenlos
stubenrein, wie es ist. Das gibt den Kindern in der Stunde seines
Totalschadens (infolge der Betäubung durch den Hammer) doch bloß ihr
Taschengeld eins zu eins wieder, das sie in kaufmännischer Naivität und
in Erwartung der wundersamen Geldvermehrung brav eingezahlt, sprich:
dem Schweinderl verfüttert haben, um ihr Sparschweinguthaben einmal
gegen viele, viele Zuckerln umzutauschen. Es hat ihnen halt noch keiner
erzählt, dass ihnen die Inflation in einem Jahr von 100 Zuckerln 3
weglutscht.
Ich meinte vielmehr den Goldesel, der sich direkt in die
Münzsammlung oder ins Portemonnaie hinein erleichtert, aber leider
bereits zu Zeiten der Gebrüder Grimm nur noch dem Hörensagen nach
existierte. Wahrscheinlich wurde er wie ein herkömmlicher Esel mit
Tierfutter betrieben, verkaufte sein Essen aber irgendwo in den Tiefen
seines Verdauungstrakts mit hohem Gewinn und schied den Erlös aus. Oder
er hatte einen Prägestock im Hintern, damit die amorphe Masse nachher
wie ein Goldener Philharmoniker aussah. Und eigentlich legte er bei
seinen aktionistischen Ausscheidungsvorführungen (seinen intestinalen
Münzpräge-Performances) ja eine so genannte "Bulirrhö" hin, einen
Ess-Brech-Durchfall, hatte ja gewissermaßen auch goldenes – Sodbrennen.
Eine alchimistische Transsubstantiation. Die unedle Ausgangssubstanz
(das Essen oder das "Essen im Endstadium", nämlich im Mastdarm, die
prima materia) wird in eine neue Qualität, Bargeld, überführt. Mein
Selbstversuch, den lukrativen Stoffwechsel des Goldesels nachzumachen,
war zwar bislang erfolglos, der Ansatz ist aber zweifelsohne genial.
Als Hüterin von elf Amalgamplomben, die sich daran erinnert, dass die
goldmachenden Alchemisten auf die Verbindung von Quecksilber und
Schwefel bauten, kam ich auf die noch ausbaufähige Idee, mein Essen
exzessiv zu kauen, auf dass sich das quecksilberhaltige Amalgam abreibe
und sich später mit den Schwefeldämpfen vereine, die aus einer strengen
Bohnendiät resultieren. Und am Ende des Prozesses wäre ich stinkreich.
Mario Mauroner Contemporary Art: Im Anfang war die Tat
Karin Frank hingegen leidet anscheinend an einer ausgeprägten
Aurophobie, der panischen Angst vor Gold. Nicht anders lässt es sich
erklären, wieso ihre kleinen "Scheißerchen" (Auflage: 500 Stück) ihr
Geschäft mit unverblümtem Naturalismus verrichten: in der Farbe Braun.
Die Männchen, die wirklich sehr "geschäftstüchtig" sind (wie zum
Zeichen der überströmenden Fülle), könnten Glücksbringer sein, mit der
Aufgabe, den Besitzer vor einer Schaffenskrise zu bewahren oder ihm
schlicht Gesundheit zu wünschen. Oder könnten ein magisches
Abführmittel sein, ein Darmbeschleuniger, auch wenn sie nicht essbar
sind wie die Marzipanschweindln und nicht selber an der Verdauung
teilnehmen können, die sie beschwören.
Doch sind diese glücklichen Mandln, die in ihrer Biomasse schwelgen
und der Produktivität des menschlichen Organismus huldigen (bis 28. Mai
bei Mario Mauroner, Weihburggasse 26), erst die Vorhut. Im Keller der
Galerie entfaltet sich dann das ganze in Holz gehauene Universum der
Karin Frank. Planeten (Kugeln), auf denen meist nur ein einziges Leben
vor sich hin existiert, und das gibt sich demiurgisch seinen
Körpersekreten hin. Ein Verdacht liegt nahe: Das sind
Schöpfungsgeschichten. Mythische Welterklärungsmodelle. Der
"Schleimscheißer": Der bringt gerade einen ganzen Globus zwischen
seinen hinteren Wangerln hervor, erschafft eine geordnete kugelförmige
Welt aus dem Urstoff. Und balanciert oben wie auf einer gigantischen
Sprechblase. Im Anfang war eben doch nicht das Wort, sondern die Tat.
Es werde Materie. Entschlackung als Schöpfungsakt.
Einem andern entfleucht gerade so was wie der Urknall aus seinem
rückwärtigen Artikulationsorgan, in einer Zeit, lange bevor die
Duftbäumchen dem Phänomen "Geruch" ein ansprechendes Aroma verliehen.
Sieht freilich aus, als würde ein Angeber da hinten einen Luftballon
aufblasen und die flüchtigen Abgase in eine perfekte Form
hineinzwängen. Noch ein heidnischer Schöpfergott bei der Arbeit
(diesmal ein genähter auf einem Plüschplaneten): Der liegt auf dem
Rücken und lässt ein flauschig bauschiges weißes Wölkchen in den Äther
los: das erste Wetter. Und welcher Körperfunktion verdankt sich die Urwolke? Unmissverständlicher Titel des Opus: "Abspritzen".
Man wird vielleicht nicht die Worte "absolute Meisterwerke" in den
Mund nehmen. Doch die naive Heiterkeit dieser Arbeiten und Franks
Bejahung des Holzes und der Physis tragen deutlich dazu bei, dass man
um mindestens eine Nuance fröhlicher und erfrischter zur Tür
hinausgeht, als man hereingekommen ist. Und der imposante Schiele, der
im Vollbesitz seiner Freikörperkultur auf einem Einkaufssackerl hockt,
beglückt er etwa das Sackerl mit kauffertiger "Merda d’ artista"?
Instinktiv geht man einmal um ihn herum und schaut "hinten" nach. Ja,
er hat ein Gesäß. Aber das ist außer Betrieb und schaut total unbenutzt
aus. Man ist fast enttäuscht.
Galerie Frey: Mit Lockenwicklern malen
Natürlich kann man auch Pinselhaare mit Haarspray behandeln. Bei einem großen
Besen ginge es ja auch (damit seine Frisur bei jedem Wetter und bei
jeder Emotion der auskehrenden Person bombenfest hält). Aber ich
glaub’, am Pinsel liegt es gar nicht, dass die virtuos dekorativen,
kompakten und ziemlich streng komponierten Bilder von Yvonne Simon so
verhalten dynamisch wirken. Wie Expressionismus in Zeitlupe.
Nein, so kompakt und "sediert" wie eine Kunsthaarperücke sind die
perfekt gestylten abstrakten Malereien mit ihren reißerisch schönen,
poppigen Farben auch wieder nicht. Simon (bis 25. Mai in der Galerie
Frey, Gluckgasse Nr. 3) weiß genau, wie sie mit ihrem Malgerät
effektvoll über die Leinwand lustwandeln muss, damit der Betrachter hin
und weg ist (wenn sie über ein unruhiges gestisches Pinselgestöber
anmutig arrangierte Schnörkel legt). Freilich: Die breiten, lockigen
"Farbsträhnen" (wie mit dem Lockenwickler gedrillt) geben dieser
"abstrakten Pop-Art" halt schon eine plakativ ästhetische Geschmacksrichtung.
Freitag, 13. Mai 2005