Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
  Oper     Konzert     Musik     Theater     Film     Kunst    Literatur     Medien  

Quer durch Galerien

Wem der Urknall entfleucht . . .

"Schleimscheißen" von Karin Frank. Galerie Mario Mauroner

Was macht der Schiele (von Karin Frank) da auf dem Einkaufssackerl? Er wird doch wohl artig sein? Galerie Mario Mauroner

Was macht der Schiele (von Karin Frank) da auf dem Einkaufssackerl? Er wird doch wohl artig sein? Galerie Mario Mauroner

Wie Geschenkbänder im Wind: Dieses perfekt durchkomponierte Opus von Yvonne Simon heißt

Wie Geschenkbänder im Wind: Dieses perfekt durchkomponierte Opus von Yvonne Simon heißt "Rote Sinnlichkeit" und ist virtuos dekorativ. Galerie Frey

Von Claudia Aigner

Da gab es doch einmal so ein praktisches Haustier, das die Schulden von seinem Herrl beglichen hat und obendrein noch Taschengeld produzierte (vermutlich in seinem Magen). Kurz: Dem Viecherl kam das Nulldefizit (und bei richtiger Dressur sogar ein saftiger Budgetüberschuss) hinten heraus wie den weniger praktischen Haustieren die Jauche. Könnte da vom Sparschwein die Rede sein?

Nein, das zahlt doch nicht einmal Zinsen, geschweige denn, dass ihm vor seinem Schlachttag irgendetwas entkommen würde, so gnadenlos stubenrein, wie es ist. Das gibt den Kindern in der Stunde seines Totalschadens (infolge der Betäubung durch den Hammer) doch bloß ihr Taschengeld eins zu eins wieder, das sie in kaufmännischer Naivität und in Erwartung der wundersamen Geldvermehrung brav eingezahlt, sprich: dem Schweinderl verfüttert haben, um ihr Sparschweinguthaben einmal gegen viele, viele Zuckerln umzutauschen. Es hat ihnen halt noch keiner erzählt, dass ihnen die Inflation in einem Jahr von 100 Zuckerln 3 weglutscht.

Ich meinte vielmehr den Goldesel, der sich direkt in die Münzsammlung oder ins Portemonnaie hinein erleichtert, aber leider bereits zu Zeiten der Gebrüder Grimm nur noch dem Hörensagen nach existierte. Wahrscheinlich wurde er wie ein herkömmlicher Esel mit Tierfutter betrieben, verkaufte sein Essen aber irgendwo in den Tiefen seines Verdauungstrakts mit hohem Gewinn und schied den Erlös aus. Oder er hatte einen Prägestock im Hintern, damit die amorphe Masse nachher wie ein Goldener Philharmoniker aussah. Und eigentlich legte er bei seinen aktionistischen Ausscheidungsvorführungen (seinen intestinalen Münzpräge-Performances) ja eine so genannte "Bulirrhö" hin, einen Ess-Brech-Durchfall, hatte ja gewissermaßen auch goldenes – Sodbrennen.

Eine alchimistische Transsubstantiation. Die unedle Ausgangssubstanz (das Essen oder das "Essen im Endstadium", nämlich im Mastdarm, die prima materia) wird in eine neue Qualität, Bargeld, überführt. Mein Selbstversuch, den lukrativen Stoffwechsel des Goldesels nachzumachen, war zwar bislang erfolglos, der Ansatz ist aber zweifelsohne genial. Als Hüterin von elf Amalgamplomben, die sich daran erinnert, dass die goldmachenden Alchemisten auf die Verbindung von Quecksilber und Schwefel bauten, kam ich auf die noch ausbaufähige Idee, mein Essen exzessiv zu kauen, auf dass sich das quecksilberhaltige Amalgam abreibe und sich später mit den Schwefeldämpfen vereine, die aus einer strengen Bohnendiät resultieren. Und am Ende des Prozesses wäre ich stinkreich.

Mario Mauroner Contemporary Art: Im Anfang war die Tat

Karin Frank hingegen leidet anscheinend an einer ausgeprägten Aurophobie, der panischen Angst vor Gold. Nicht anders lässt es sich erklären, wieso ihre kleinen "Scheißerchen" (Auflage: 500 Stück) ihr Geschäft mit unverblümtem Naturalismus verrichten: in der Farbe Braun.

Die Männchen, die wirklich sehr "geschäftstüchtig" sind (wie zum Zeichen der überströmenden Fülle), könnten Glücksbringer sein, mit der Aufgabe, den Besitzer vor einer Schaffenskrise zu bewahren oder ihm schlicht Gesundheit zu wünschen. Oder könnten ein magisches Abführmittel sein, ein Darmbeschleuniger, auch wenn sie nicht essbar sind wie die Marzipanschweindln und nicht selber an der Verdauung teilnehmen können, die sie beschwören.

Doch sind diese glücklichen Mandln, die in ihrer Biomasse schwelgen und der Produktivität des menschlichen Organismus huldigen (bis 28. Mai bei Mario Mauroner, Weihburggasse 26), erst die Vorhut. Im Keller der Galerie entfaltet sich dann das ganze in Holz gehauene Universum der Karin Frank. Planeten (Kugeln), auf denen meist nur ein einziges Leben vor sich hin existiert, und das gibt sich demiurgisch seinen Körpersekreten hin. Ein Verdacht liegt nahe: Das sind Schöpfungsgeschichten. Mythische Welterklärungsmodelle. Der "Schleimscheißer": Der bringt gerade einen ganzen Globus zwischen seinen hinteren Wangerln hervor, erschafft eine geordnete kugelförmige Welt aus dem Urstoff. Und balanciert oben wie auf einer gigantischen Sprechblase. Im Anfang war eben doch nicht das Wort, sondern die Tat. Es werde Materie. Entschlackung als Schöpfungsakt.

Einem andern entfleucht gerade so was wie der Urknall aus seinem rückwärtigen Artikulationsorgan, in einer Zeit, lange bevor die Duftbäumchen dem Phänomen "Geruch" ein ansprechendes Aroma verliehen. Sieht freilich aus, als würde ein Angeber da hinten einen Luftballon aufblasen und die flüchtigen Abgase in eine perfekte Form hineinzwängen. Noch ein heidnischer Schöpfergott bei der Arbeit (diesmal ein genähter auf einem Plüschplaneten): Der liegt auf dem Rücken und lässt ein flauschig bauschiges weißes Wölkchen in den Äther los: das erste Wetter. Und welcher Körperfunktion verdankt sich die Urwolke? Unmissverständlicher Titel des Opus: "Abspritzen".

Man wird vielleicht nicht die Worte "absolute Meisterwerke" in den Mund nehmen. Doch die naive Heiterkeit dieser Arbeiten und Franks Bejahung des Holzes und der Physis tragen deutlich dazu bei, dass man um mindestens eine Nuance fröhlicher und erfrischter zur Tür hinausgeht, als man hereingekommen ist. Und der imposante Schiele, der im Vollbesitz seiner Freikörperkultur auf einem Einkaufssackerl hockt, beglückt er etwa das Sackerl mit kauffertiger "Merda d’ artista"? Instinktiv geht man einmal um ihn herum und schaut "hinten" nach. Ja, er hat ein Gesäß. Aber das ist außer Betrieb und schaut total unbenutzt aus. Man ist fast enttäuscht.

Galerie Frey: Mit Lockenwicklern malen

Natürlich kann man auch Pinselhaare mit Haarspray behandeln. Bei einem großen Besen ginge es ja auch (damit seine Frisur bei jedem Wetter und bei jeder Emotion der auskehrenden Person bombenfest hält). Aber ich glaub’, am Pinsel liegt es gar nicht, dass die virtuos dekorativen, kompakten und ziemlich streng komponierten Bilder von Yvonne Simon so verhalten dynamisch wirken. Wie Expressionismus in Zeitlupe.

Nein, so kompakt und "sediert" wie eine Kunsthaarperücke sind die perfekt gestylten abstrakten Malereien mit ihren reißerisch schönen, poppigen Farben auch wieder nicht. Simon (bis 25. Mai in der Galerie Frey, Gluckgasse Nr. 3) weiß genau, wie sie mit ihrem Malgerät effektvoll über die Leinwand lustwandeln muss, damit der Betrachter hin und weg ist (wenn sie über ein unruhiges gestisches Pinselgestöber anmutig arrangierte Schnörkel legt). Freilich: Die breiten, lockigen "Farbsträhnen" (wie mit dem Lockenwickler gedrillt) geben dieser "abstrakten Pop-Art" halt schon eine plakativ ästhetische Geschmacksrichtung.

Freitag, 13. Mai 2005

Aktuelle Berichte:

Ausstellungen
17.05.
Galerien
Ausstellungen
Wem der Urknall entfleucht . . .
Quer durch Galerien
Hartnäckige Lebensformen
Kunstsinnig
Kunst der Seelenaufschlitzer
Leopold Museum: "Die nackte Wahrheit – Klimt, Schiele, Kokoschka und andere Skandale"
Ausstellungen-Tipps
Vom spirituellen Austausch
Veranstaltungsserie "Import Export" im Künstlerhaus
Altar im Zentrum
Wiener Schottenmuseum in neuem Glanz
Identität gefunden in der Kunst
Österreichische Galerie Belvedere: "Das Neue Österreich" – Die Schau zum Staatsvertragsjubiläum

Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum