diepresse.com
zurück | drucken

08.01.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kunstraum: Grillhendl Armada

GALERIE MEZZANIN: GRILLHENDL-ARMADA

Mit ihren Video-Arbeiten steht Anna Jermolaewa ein für das pointierte Spiel mit der Diskrepanz von Unheimlichem und Lieblich-Vertrautem. Dabei sind ihre "Akteure" oft Spielzeugfiguren und Puppen, bisweilen versieht Jermolaewa auch Vertraut-Körperhaftes mit ungewohnter rollenhafter Bedeutung: Da formieren sich etwa Grillhendln zur bedrohlichen Armada, eine geschwungene Hüfte wird zur Piste für funkgesteuerte Kleinstrennwägen. In den hier vorgestellten neuesten Arbeiten lässt Jermolaewa derlei stark symbolhafte Choreografie allerdings hinter sich und fokussiert aufgeladene Momente in minutenkurzen Loops. Beeindruckend verdichtet sie die Georges-Bataille -Erzählung "Simone" zur miniaturhaften Genreszene, in der eine Katze aus eben der Schüssel Milch schleckt, in die zuvor eine nackte Frau ihr Gesäß getunkt hatte. Latente Erotik schlägt auch in "Mutterschaft" durch, einem Found-Footage-Streifen, in dessen Zentrum eine Kernfamilie und ein Schnuller stehen. Auf den theatralischen Anspruch ihrer Arbeit weist Jermolaewa schließlich mit der Bewegungsskulptur "Cabaret" hin, in der sechs Marionetten in Äffchengestalt einen rasanten Tanz hinlegen. Eher schwach gegen so viel geballte Intensität nimmt sich hingegen das Video "Single-Party" aus (Abb.), die achtzehnminütige Aufzeichnung eines Orangentanzes (VII., Karl-Schweighofer-Gasse 12; bis 7. Februar).

RAUM AKTUELLER KUNST: AUFBRUCH

Seinen Namen machte sich Peter Pommerer mit Wandarbeiten und Zeichnungen auf Papier, in denen Kopffüßer, Schlangenförmiges, Florales, Ornamentales, Himmlisches, Wolkentürme, Fantasiegärten nur so um die Wette wuchern, wachsen und ganze Flächen überziehen. Der Rahmen, der Rand des Bildes oder das Ende einer Wand scheinen da vor allem als ungeliebte Grenzmarken zu fungieren, deren Notwendigkeit in erster Linie darin besteht, dem zeichnenden Treiben ebenso wie dem Getriebensein des Künstlers eine Schranke zu setzen. Als Alternative verführen diese Grenzen - wie eine separat gehängte Gruppe großformatiger Bilder aus den späten Neunzigern demonstriert - zum Fragment, das Pommerer ebenfalls mit erstaunlicher Souveränität zur Kunstform erhebt, ganz so, als gäbe es für dieses unvermittelte Bleistifteln, Färbeln und Malen kein Mittelmaß. "Versammlung der Zeichen" steht in einer dieser Tafeln geschrieben, damit gibt Pommerer einen leisen Hinweis auf das künstlerische Credo dieser Werkphase, in der Unordnung die Ordnung vorgab. Eine radikale Zäsur setzte Pommerer mit seinen neuesten, streng geometrischen Blättern. Durchwegs in Schablonentechnik ausgeführt, markieren diese Schwarzweiß-Arbeiten eine künstlerische Nachdenkpause. Wohl greift er auch hier auf sein naiv anmutendes Zeichenrepertoire zurück, auf Blumen, Fische, Clowns, Strichgesichter. Diesmal aber schieben sich sorgfältig zugeschnittene, mit allerlei Löchern, Aussparungen und Auslassungen versehene Kartone und unterschiedlichste Werkzeuge nicht bloß vermittelnd, sondern nachgerade unterbrechend zwischen die Fantasie, ihre Formulierung und Ausführung. Ob diese neuen Arbeiten programmatisch sind, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Mit Sicherheit aber signalisieren sie einen Aufbruch (I., Eschenbachgasse 11; bis 17. Jänner). Johanna Hofleitner

© diepresse.com | Wien