Schwedische Architektur im Ringturm

Ein Überblick über die schwedische Architektur im 20. Jahrhundert. Über die Ausstellung im Wiener Ringturm berichtet Sabine Oppolzer.


In Form der Schwedenhäuser wurde die schwedische Architektur bereits in die ganze Welt exportiert. Die Einfachheit dieses Bautyps hat sich international sehr bewährt. Was die Architektur öffentlicher Repräsentationsbauten betrifft, wurde und wird kaum exportiert. Heimische große Architekten wie Gunnar Asplund oder Sven Markelius bauten vor Ort, und dennoch strahlte ihre Arbeit ins europäische Ausland, wie Adoph Stiller, der Leiter der Reihe Architektur im Ringturm anhand eines Beispiels ausführt.

"Zum Beispiel Erich Boltenstern, der hier diesen Ringturm gebaut hat 1955, der war in den 30er Jahren bei Markelius im Büro, hat dort gearbeitet. Und auch Oswald Haerdtl ist zum Markelius gefahren, um sich seine Bauten anzusehen, die haben schon Ausstrahlung gehabt."

Konzerthaus, Helsingborg 1926-1930, Architekt: Sven Markelius
Konzerthaus, Helsingborg 1926-1930, Architekt: Sven Markelius

Die Ideen des Funktionalismus

Als zu Beginn des Jahrhunderts die Industrialisierung in Schweden einsetzte, begann in dem vormals spärlich bevölkerten Agrarland ein großer Bauboom. Damals entstand eine verfeinerte Variante des Neoklassizismus, die als "Swedish Grace" bekannt wurde. Tomas Mjöberg vom Architekturmuseum Stockholm zu der darauf folgenden Periode des Funktionalismus in Schweden:

"Der große Durchbruch des Funktionalismus in Schweden fand 1930 durch eine große Ausstellung in Stockholm statt. Die Ideen kamen aus Europa, aber in Schweden bestand eine große Nachfrage nach besseren Wohnstandards. Denn die Mehrheit der Stadtbewohner lebte in dunklen Wohnungen mit schlechter technischer Ausstattung. Die jungen schwedischen Architekten engagierten sich sehr für die Ideen des Funktionalismus."

Waldfriedhof, Stockholm 1915-1940, Gunnar Asplund, Sigurd Lewerentz / ©Bild: A. Lindman
Waldfriedhof, Stockholm 1915-1940, Gunnar Asplund, Sigurd Lewerentz / ©Bild: A. Lindman

Architektonische Kontinuität

Chefarchitekt der Ausstellung und Hauptvertreter des Funktionalismus in Schweden war Gunnar Asplund. Die Machtergreifung der Sozialdemokratischen Partei und die sozialen Reformen förderten eine Ausbreitung des Funktionalismus. Zudem emigrierten zahlreiche Architekten in den 30er Jahren aus Deutschland und Österreich nach Schweden. "Es sind viele Emigranten schon 1942/43 aus Schweden nach Amerika emigriert, weil sie immer mit der Angst gelebt haben, dass jetzt Deutschland auch nach Schweden kommt", führt Adolph Stiller aus.

Trotz seiner Neutralität war Schweden im Zweiten Weltkrieg wirtschaftlich abgeschottet. Der Nachbar Deutschland war als Hauptwirtschaftspartner verloren und das Baugeschehen wurde nur sehr reduziert fortgesetzt. Trotzdem arbeiteten die schwedischen Architekten auch während des Krieges in kleinen Projekten weiter und der architektonische Diskurs wurde fortgeführt.

Community-Center

So konnten bereits in den frühen 50er Jahren interessante Bauten entstehen. Adolph Stiller: "Bei uns beginnt die Architekturgeschichtsschreibung erst wieder 1946. Die Kontinuität in Schweden zeigt allerdings, dass die 50er Jahre nicht so vom Himmel gefallen sind, sondern eben auch aus diesen 30er, 40er Jahren gewachsen sind."

Zentrum von Arsta
Zentrum von Arsta

Das Zentrum von Arsta, errichtet von Erik und Tore Ahlsén ist Schwedens erstes Beispiel einer Nachbarschafts-
planung in Verbindung mit der Idee eines Community-Centers, das die Kultur buchstäblich ins Zentrum rückt: und zwar mit Theater, Bibliothek, Kino und Versammlungsräumen. Ebenso ist das Zentrum von Vällingby, das 1954 eröffnet wurde, ein Architekturbeispiel, das im Ausland viel Beachtung fand. Noch heute kommen Besucher hierher, um Einblick in die moderne Planungsgeschichte zu nehmen.

Büro im Baukastensystem

In den 60er Jahren entstand dann Schwedens erstes Haus aus Fertigbauteilen, entworfen von Carl Nyrén. Diese Bauten wurden lange Zeit nicht sehr geliebt, obwohl sie großzügige Grundrisse hatten. Die Strukturphilosophie der staatlichen Baubehörde zeigte sich auch in dem Häuserblock "Garnisonen", dem Pilotprojekt für die Idee eines Baukastensystems für Bürogebäude.

Der Häuserblock zeigt auch heute noch seine vielfältige Verwendbarkeit, so Tomas Mjöberg: "Heute gibt es das Labor nicht mehr. Andere Einrichtungen wie Schulen sind eingezogen, das Gebäude hat bewiesen, dass es für unsere Zeit adaptiert werden konnte."

Öffnung der Architekturszene

Astra-Hässle- Laboratorium, Mölndal 1989-1996 / ©Bild: B. Ericksson
Astra-Hässle- Laboratorium, Mölndal 1989-1996 / ©Bild: B. Ericksson

Nach einem neuerlichen großen Bauboom in den 80er Jahren, bewirkt durch das Wirtschafts-
wachstum, hat sich Schweden in den 90er Jahren auch der internationalen Architekturszene geöffnet. Der Spanier Rafael Moneo baute das Museum Moderner Kunst und das Architekturmuseum in Stockholm. Beide Museen wurden 1998 eingeweiht.

"In Schweden wurde zwar das Kunstmuseum von Moneo gebaut, aber im Allgemeinen hält sich diese Tendenz in Grenzen", weiß Adolph Stiller. "Es hat etwas Sympathisches, dass Schweden nicht so an diesem Architekten-Starkult teilnimmt."

Tipp:

Die Ausstellung Architektur im 20. Jahrhundert: Schweden läuft bis zum 18. Mai.
Am 26. Mai findet eine Diskussionsveranstaltung zum Thema: "Architektur zwischen Ästhetik und sozialer Verantwortung" statt - mit Karen Lindegren vom Architekturzentrum Stockholm und dem Architekten Anton Schweighofer aus Wien.

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