WIEN. 1994 wurde die Sammlung von Rudolf Leopold mit
Unterstützung der Republik und der Österreichischen
Nationalbank in eine Stiftung eingebracht. Teil des
Stiftungsvertrages war der Bau des Museums. Mit seiner
Eröffnung wird nun die Breite und Tiefe sichtbar, in der das
liebende und kennende Auge des Sammlers sich auf
österreichische Kunst und Kunstgewerbe von 1800 bis heute,
aber auch auf Volkskunst und Kunst aus Afrika und Ozeanien
eingelassen hat.
Der klare weiße Museumskubus von Ortner & Ortner ist
nicht nur in seiner äußeren Erscheinung Kontrapunkt zum Museum
moderner Kunst derselben Architekten. Auch im inneren Konzept
gehen sie andere Wege. Bleibt im Mumok die Außenwelt
abgeschottet, so dringt ins Leopold Museum Tageslicht ein: auf
konventionelle Art durch Oberlicht, raffiniert gelenkt durch
weite Fensterflächen nach außen und innen hin, wo ein über
zwei Stockwerke reichendes Atrium Licht verteilt. Solide
bilden den neutralen Rahmen zur Aufstellung von
eintausenddreihundert Bildern, Zeichnungen und Objekten.
Sammlung wie Präsentation tragen so eindeutig die Handschrift
des Privaten, dass es für den Besucher nicht leicht ist, sich
zu orientieren.
Auf fünf Ebenen sind die Werke weitgehend chronologisch
geordnet. Schwerpunkte zu einzelnen Künstlern sind von weit
gefassten Kontexten umgeben. Da sind zum einen jene solitären
Inseln, für die Leopold seit Jahrzehnten berühmt ist: Für die
umfangreiche, wunderbare Schiele-Sammlung, für Kokoschka und
Gerstl, für die wichtigen Klimt-Werke und das Kunstgewerbe der
Wiener Werkstätte, für die vielen eindrucksvollen
Egger-Lienz-Formate und den frühen Kubin etwa.
Dazu kommen Ehrenrettungen jener Künstler der
Zwischenkriegszeit, die das expressive Erbe auf hohem Niveau
fortsetzen, wie Boeckl, Frankl, Kolig oder Faistauer. Daran
schließen sich aber auch Künstler, denen man in dieser Breite
jedenfalls zum ersten Mal begegnen wird - wie Gustav Hessing
oder Ernst Dobrowsky - und viele neue Namen.
Die Gleichgewichtung, die Rudolf Leopold seinen Schätzen
auch in einer additiven Hängung zukommen lässt, wird in
manchen Fällen zum Problem. Dem hervorragend vertretenen 19.
Jahrhundert hätte man intime Nischen gewünscht, den übers Haus
verteilten Skulpturen, Möbeln und Objekten - bis hin zum
Gmundner Krug - eine stringente Dramaturgie. Ob das
eingestreute Zeitgenössische dem Sammler Herzensanliegen oder
Pflichtübung ist, wird die Zukunft zeigen, für die auch
Sonderausstellungen avisiert sind. Der Besucher steht einem
persönlichen Kosmos gegenüber, der in seiner ebenso
wunderbaren wie schrecklichen Unausgewogenheit sicher Anlass
zu Diskussionen geben dürfte. |