Schussbereite Kamera im City-Dschungel
ERNST P. STROBL Wien (SN). Die kleine Weltstadt Wien richtet für die Hauptstadt des 20. Jahrhunderts eine Hommage aus. New York, New York, fehlt nur noch Frank Sinatras Hymne beim Eintritt zur Ausstellung im Wien Museum am Karlsplatz. Zum 50-jährigen Bestandsjubiläum hat Direktor Wolfgang Kos nicht nur das Haus mit lauter Highlights aus der Sammlung bestückt, im ersten Stock ist nun eine Fotoausstellung eingerichtet mit Bildern aus rund 50 Jahren Stadtgeschichte der amerikanischen Metropole. Die faszinierende Schau „Big City“ umfasst rund 150 Bilder von 18 legendären Fotografen und Meistern der „Street Photography“ ab den 1940er-Jahren bis in die 1980er. Die Anordnung bietet auch einen chronologischen Überblick über diese wahrlich lebensnahe Kunstform.
Wer die Kamera immer schussbereit hatte, wurde in den Straßen der Großstadt mit ihrer Überzahl an Motiven leicht fündig. Mit der Erfindung der Kleinbildkamera war die entscheidende Neuerung gefunden. Der Schmelztiegel New York mit seinen sozialen Kontrasten lockte die Fotografen, die in den Vierzigerjahren sogar in der „Photo League“ politisch engagiert waren. Die McCarthy-Repressionen führten 1951 zur Auflösung der Vereinigung.
Die Vierziger im Schatten von Wirtschaftskrise, Weltkrieg und Neubeginn: Sid Grossmann, Ted Croner oder Weegee erfassten den Augenblick durch aggressiven Einsatz der Linse. Walker Evans fotografierte heimlich Menschen in der New Yorker Subway, Grossman knipste das Freizeitverhalten der Unterprivilegierten am Strand von Coney Island. Weegee, der sogar den Polizeifunk abhörte, bannte gruselige Szenen von Mord und Totschlag und fand sogar die Ironie im Augenblick: Ein Mordopfer liegt unter einer Reklametafel eines Vergnügungsetablissements, dort steht „Irene Dunn in: ,Joy of Living‘“.
In den „Fifties“ mit Wirtschaftsaufschwung, Kaltem Krieg und Rock ’n’ Roll färbte der Expressionismus der bildenden Kunst auf die Fotografie ab wie bei Saul Leitner, William Klein oder Robert Frank. Diane Arbus ist die berühmteste Figur der Sechzigerjahre mit ihrer Anthropologie. Sie fotografierte Nudisten, Transvestiten und andere Exzentriker. Bei Charles Harbutt kam die Strahlkraft der Architektur ins Spiel. Ab den 1970er-Jahren wurde oft die Farbe zum Gestaltungsmittel, aber nicht um zu „verschönern“, sondern um erst recht auf den Verfall der glanzvollen, zum Mythos erstarrten Stadt hinzuweisen. Der „Big Apple“ hat fabelhafte Porträtisten gefunden.Internet: www.wienmuseum.at