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27.02.2003 - Ausstellung
Kein Staat im Underground
Galerist John Sailer eröffnet am heutigen Donnerstag im Wiener 20er Haus seine Präsentation aller Träger des Großen Österreichischen Staatspreises.
VON ALMUTH SPIEGLER


Noch liegt gegenüber dem Wiener Südbahnhof eine traurige Gstättn: "Das 20er Haus hat geschlossen", prangt über dem Eingang des seit dem Auszug des Museums Moderner Kunst leer stehenden Schwanzer-Pavillons. Im Inneren aber wird fiebrig "Kunst Kunst Kunst" gemacht, die seit eineinhalb Jahren geplante Ausstellung über alle Träger des Großen Österreichischen Staatspreises, die höchste Auszeichnung des Landes für künstlerische Leistung. Donnerstag Abend wird eröffnet.

Wo sich früher die junge provokante Kunstszene traf, in den fünfziger Jahren Kurt Schwertsik und Friedrich Cerha die ersten Konzerte von John Cage, Nono, Pierre Boulez organisierten und Anfang der Achtziger Peter Weibel mit seinem Hotel Morphila Orchester durch die Nacht stotterte, zieht die ausgeschilderte Staatskunst ein - oder auch nicht.

Denn derselbe Widerspruch zwischen Tradition und Revolution, an dem dieser von den Wienern so ungeliebte Museums-Ort dahin siecht, zeichnet auch die Gruppe der Staatspreisträger aus, unter denen sich einst verfemte wie Günter Brus finden. Dass auch die extreme Avantgarde zu Staatsehren kam, ist dem Kunstsenat zu verdanken, der sich aus bereits ausgezeichneten Künstlern zusammensetzt. Sie bestimmen jährlich den Neuzugang in ihre Runde. Jedenfalls ist es Usus, dass sich der Minister an die Empfehlung dieser Einrichtung hält.

Unter der Präsidentschaft von Hans Hollein zählt der Kunstsenat heute 21 Mitglieder. Fast alle der hier vertretenen Bildenden Künstler werden auch von der Wiener Galerie Ulysses vertreten - keine Überraschung war es also, dass Ulysses-Chef John Sailer mit der Gestaltung der eigenen Würdigung betraut wurde.

Mit einem Budget von rund 180.000 Euro vom Kunst-Staatssekretariat versammelte Sailer mit Unterstützung der Österreichischen Galerie Belvedere und des Österreichischen Rundfunks in "Kunst Kunst Kunst" Werke aller 92 Autoren, Komponisten, Maler, Bildhauer, Architekten, die seit 1950 den Großen Staatspreis erhielten. Mit ein bis drei "typischen" (Sailer) Exponaten und einer Biografie muss sich der Einzelne begnügen, was keine Überraschungen, aber gute Vergleichsmöglichkeiten ergibt. Von den Autoren wie Doderer, Artmann, Jandl, Aichinger und den Komponisten wie Krenek, von Einem, Ligeti werden Hör- und Leseproben angeboten. Den Großteil bestreiten jedoch die Bildenden Künstler. Prunkstücke in den weiten Kojen sind drei Kokoschka-Gemälde - darunter das Porträt Theodor Körners von 1949 -, Böckls "Eichelhäher" (1922), zwei prächtige quadratische Max Weiler. Dazwischen Hundertwassers Spiralen, Arnulf Rainers Übermalungen und Maria Lassnigs Körperbilder. Architekturmodelle von Hollein und Coop Himmelb(l)au, Skulpturen von Wotruba und Hoflehner, Zeichnungen, Fotografien - alles ballt sich im Erdgeschoß des 20er Hauses.

Das ist die herbste Enttäuschung dieser Ausstellung: Da die Treppen den Sicherheitsvorschriften nicht mehr entsprechen, sagt Sailer, konnten die Galerien nicht benutzt werden. So bleibt fast die Hälfte der Fläche ungenützt, und diese körperlich spürbare Leere über den Köpfen schmerzt.

Bis 6. April, Di. - So. 11 - 18 Uhr.



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