Noch liegt gegenüber dem Wiener Südbahnhof eine traurige
Gstättn: "Das 20er Haus hat geschlossen", prangt über dem Eingang des seit
dem Auszug des Museums Moderner Kunst leer stehenden Schwanzer-Pavillons.
Im Inneren aber wird fiebrig "Kunst Kunst Kunst" gemacht, die seit
eineinhalb Jahren geplante Ausstellung über alle Träger des Großen
Österreichischen Staatspreises, die höchste Auszeichnung des Landes für
künstlerische Leistung. Donnerstag Abend wird eröffnet.
Wo sich früher die junge provokante Kunstszene traf, in
den fünfziger Jahren Kurt Schwertsik und Friedrich Cerha die ersten
Konzerte von John Cage, Nono, Pierre Boulez organisierten und Anfang der
Achtziger Peter Weibel mit seinem Hotel Morphila Orchester durch die Nacht
stotterte, zieht die ausgeschilderte Staatskunst ein - oder auch nicht.
Denn derselbe Widerspruch zwischen Tradition und
Revolution, an dem dieser von den Wienern so ungeliebte Museums-Ort dahin
siecht, zeichnet auch die Gruppe der Staatspreisträger aus, unter denen
sich einst verfemte wie Günter Brus finden. Dass auch die extreme
Avantgarde zu Staatsehren kam, ist dem Kunstsenat zu verdanken, der sich
aus bereits ausgezeichneten Künstlern zusammensetzt. Sie bestimmen
jährlich den Neuzugang in ihre Runde. Jedenfalls ist es Usus, dass sich
der Minister an die Empfehlung dieser Einrichtung hält.
Unter der Präsidentschaft von Hans Hollein zählt der
Kunstsenat heute 21 Mitglieder. Fast alle der hier vertretenen Bildenden
Künstler werden auch von der Wiener Galerie Ulysses vertreten - keine
Überraschung war es also, dass Ulysses-Chef John Sailer mit der Gestaltung
der eigenen Würdigung betraut wurde.
Mit einem Budget von rund 180.000 Euro vom
Kunst-Staatssekretariat versammelte Sailer mit Unterstützung der
Österreichischen Galerie Belvedere und des Österreichischen Rundfunks in
"Kunst Kunst Kunst" Werke aller 92 Autoren, Komponisten, Maler, Bildhauer,
Architekten, die seit 1950 den Großen Staatspreis erhielten. Mit ein bis
drei "typischen" (Sailer) Exponaten und einer Biografie muss sich der
Einzelne begnügen, was keine Überraschungen, aber gute
Vergleichsmöglichkeiten ergibt. Von den Autoren wie Doderer, Artmann,
Jandl, Aichinger und den Komponisten wie Krenek, von Einem, Ligeti werden
Hör- und Leseproben angeboten. Den Großteil bestreiten jedoch die
Bildenden Künstler. Prunkstücke in den weiten Kojen sind drei
Kokoschka-Gemälde - darunter das Porträt Theodor Körners von 1949 -,
Böckls "Eichelhäher" (1922), zwei prächtige quadratische Max Weiler.
Dazwischen Hundertwassers Spiralen, Arnulf Rainers Übermalungen und Maria
Lassnigs Körperbilder. Architekturmodelle von Hollein und Coop
Himmelb(l)au, Skulpturen von Wotruba und Hoflehner, Zeichnungen,
Fotografien - alles ballt sich im Erdgeschoß des 20er Hauses.
Das ist die herbste Enttäuschung dieser Ausstellung: Da
die Treppen den Sicherheitsvorschriften nicht mehr entsprechen, sagt
Sailer, konnten die Galerien nicht benutzt werden. So bleibt fast die
Hälfte der Fläche ungenützt, und diese körperlich spürbare Leere über den
Köpfen schmerzt.
Bis 6. April, Di. - So. 11 - 18 Uhr.
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