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Der Ermöglicher der Documenta


Alle Welt redet über den Leiter der elften Documenta, die heute in Kassel eröffnet wird. Doch wer spricht über Bernd Leifeld, den Mann hinter den Kulissen, den "Ermöglicher" der Ausstellung? Sicher, sein Funktionstitel klingt spröde: "Geschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungsgesellschaft mbh", deren Gesellschafter die Stadt Kassel und das Land Hessen sind. Und auch das Budget, über das er verfügt, hält sich in Grenzen: Gut 13 Millionen Euro beträgt der Finanzrahmen. Davon muß Leifeld rund 6,5 Millionen Euro durch Einnahmen hereinbringen.

Doch Leifeld ist, könnte man meinen, von Berufs wegen Optimist. Wie anders könnte er eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst organisieren, welche oft genug die Gemüter erhitzt und spaltet? "Wahnsinn!" Mit diesem schlagkräftigen Wort charakterisiert er die Pressekonferenz am Donnerstag, bei der 2500 Journalisten anwesend waren. Wo auf der Welt gebe es etwas Vergleichbares?

Überschäumend gibt sich Leifeld freilich nicht. Das Budget nennt er bescheiden. Man spürt, daß er seine Person nicht in den Vordergrund spielt, sondern lieber bleibt, wo er ist: im Hintergrund. Nur, als bloßen Buchhalter sieht er sich freilich nicht. Da dringt dann doch seine berufliche Herkunft für einen Moment nach außen. Denn Leifeld (1949 im nordrhein-westfälischen Ort Heggen geboren) drängte es nach dem Studium der Germanistik, Pädagogik und Theaterwissenschaft dorthin, wo das Leben wirklich spielt: ins Theater. Berlin, Köln, Wuppertal waren Stationen seines regieführenden Lebens. Dann folgte Kassel: von 1981 bis 1983 war er Schauspieldirektor am Staatstheater Kassel. Dem schloß sich, in den Jahren 1984 bis 1991, die Intendanz am Landestheater Württemberg-Hohenzollern in Tübingen an, ehe er 1994 die Schauspieldirektion am Theater in Basel übernahm.

Vorbei, gewesen, die Arbeit am Theater? Ja, räumt er ein, er habe bildlich gesprochen die Seiten gewechselt. Er inszeniert nicht mehr (wie in Tübingen) Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung", sondern sorgt dafür, daß andere wie der Documenta-Leiter Okwui Enwezor ihre Kunstvorstellungen ausleben können. Ob er da aber nicht in der Rolle des Budget-Verwalters den widerspenstigen, rigorosen Künstler bei den Ausgaben zähmen und zügeln muß? "Einen künstlerischen Leiter, der mehr will, als ich kann, finde ich in Ordnung", antwortet Leifeld, fügt aber gleich hinzu, daß er vor schwierigen Diskussionen keinerlei Angst habe. Immerhin übernahm er 1996 mit einem Fünfjahresvertrag die Documenta-Geschäftsführung in einer Phase, als sein Vorgänger - heillos zerstritten mit der damaligen Leiterin Catherine David - das Handtuch warf. Womit der berufliche Seitenwechsel begann, in dessen Folge er nun nicht mehr mit inhaltlichen, sondern vor allem mit betriebswirtschaftlichen Entscheidungen befaßt ist.

Er umschreibt seine Tätigkeit noch ein wenig anders und rückt die Öffentlichkeitsarbeit in den Blickpunkt, den Kontakt mit Sponsoren wie VW (in Baunatal bei Kassel liegt das zweitgrößte VW-Werk) oder auch mit der Deutschen Städte Medien, die bundesweit Werbeflächen zur Verfügung stellt. Das ist sicher, von den Beträgen her, nicht weltbewegend. Und dennoch, Leifeld nennt die Documenta mit Recht eine Weltausstellung, die vor fünf Jahren 630 000 Besucher aus aller Welt anlockte. Siebzig Prozent von ihnen hätten angegeben, wiederkommen zu wollen - was Leifelds Zuversicht erklärt, anders als die "echte" Weltausstellung Expo in Hannover keinen finanziellen Scherbenhaufen zu hinterlassen, sondern wie schon bei der vorangegangenen Documenta sogar einen Gewinn zu erzielen. Ende gut, alles gut, sagt sich der Regisseur in der Rolle des Geschäftsführers, wenn heute das beginnt, was in genau hundert Tagen endet.

HERIBERT KLEIN

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.06.2002, Nr. 130 / Seite 18

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