Die Striche sträuben sich gegeneinander, wie Haar, daß
sich nicht bürsten läßt; inmitten einer Strähne meint man einen kleinen
Kobold zu sehen: Was Walter Malli 1960 unter dem Serien-Übertitel
"Sufi-Meditation" gezeichnet hat, wirkt so gar nicht meditativ im
landläufigen Sinn. Eher unschmiegsam, widerborstig, eigensinnig.
So läßt sich Mallis Werk als Musiker und bildender
Künstler wohl insgesamt beschreiben: Der gebürtige Grazer hat sich nach
einem Studium an der Wiener "Angewandten", nach Versuchen mit informeller
Malerei um 1960 der Kunst zugewandt, in der man damals am eigensinnigsten
sein konnte: dem Jazz, genauer: dem werdenden Freejazz. Ab 1966 firmierte
er, der sich inzwischen mit zweiten Namen "Muhammad" nannte, unter
"Masters of Unorthodox Jazz". Neben Fritz Novotnys "Reform Art Unit", bei
der Malli auch mitspielte, war das die wichtigste Wiener Werkstätte der
freien Improvisation. Und diese war damals kein erprobtes Ritual einer
längst deklarierten Freiheit, sondern Exerzitium der Befreiung. "Musik,
die man proben muß, ist keine Musik", sagte Malli einmal kategorisch,
obwohl er freilich auch selbst komponierte: "völlig persönliche,
irrationale Sachen, das soll auch so sein."
Bilder aus Wien
Schon 1959, lange bevor der US-Saxophonist John Coltrane
selbst in den Freejazz aufgebrochen war, malte Malli eine Aquarell-Serie
"Salut to John Coltrane". Als Maler verließ er das abstrakte Genre bald
wieder: Es wurde ihm "zu fad". Wenn er in späteren Jahren mit dem
Filzstift "improvisierte" (zum Fluß der Musik, abwechselnd mit dem
Sopransaxophon), ließ er Könige, Blumen und Teuferln tanzen, nur zum
Beispiel, in einer schnellen und seltsamen Welt.
Gegen diese eruptiven, witzigen, oft geradezu
karikaturistischen Blätter stehen Mallis mit Tuschfeder in rhythmischen
Strichen, aber detailliert und liebevoll gezeichnete Wiener
Stadtansichten, von der Nußdorfer Straße mit all den elektrischen Drähten
über ihr bis zur "Stadtbahnstation Kettenbrückengasse", die sich in sich
selbst krümmt, als ob der Raum sich mit allen seinen Vektoren dagegen
sträubte, euklidisch zu sein.
Genauigkeit in der Seltsamkeit - oder umgekehrt. So hat
Malli wohl auch ab 1986 seinen Brotberuf als Hausaufseher im Schloß
Schönbrunn ausgeübt. Als dessen Verwaltung von einer Bundesdienststelle in
eine ausgegliederte Gesellschaft überführt wurde, betrübte es Malli, daß
er fortan niemanden mehr mit "Guten Morgen, Herr Hofrat" grüßen konnte.
Daß er nun für einige Zeit als "Artist in Residence" (im doppelten Sinn)
vom Dienst freigestellt ist, wird ihn wohl ein wenig trösten.
So gilt dem Eigensinnigen nun endlich eine umfassende
Werkschau. Die natürlich auch sein bewegtes Musikerleben dokumentiert -
beziehungsweise zeigt, wie er dieses selbst dokumentiert hat: mit einer
Sofortbildkamera, mit der er auch Interviewer zu überraschen pflegte: "So,
jetzt müaß ma no a Bildl machen", sagte er dann in seinem unnachahmlich
schleppenden Steirisch - und hielt den verdutzten Journalisten fest.
Die Personale wäre halb ohne Musikprogramm: Ingrid Karl
von der Wiener Musikgalerie hat vier sehr spezielle Konzerte für die
Freitage des Juni organisiert, u. a. mit Mallis "Innerer Kopfjagd"
und den "Catatonic Contrasts", aber auch mit geistesverwandten Musikern
wie dem britischen Freejazz-Gitarristen Derek Bailey und dem
US-Exzentriker Eugene Chadbourne. Leider ist kein Abend mit "Hiphop
Finger" dabei, deren recht geraden Tanzrhythmen Malli so obstinate
Saxophon-Ausbrüche entgegenzusetzen wußte. Auch keine Wienerlieder. Aber
es ist wohl unmöglich, alles, was dieser wunderbare Querkopf je angestellt
hat, in eine Nußschale zu packen.
Bis 14. Juli, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Wien 7,
Mariahilfer Straße 88.
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