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02.05.2002 - Ausstellung
Katatonische Kontraste, widerborstige Striche
Walter Malli, dem Zeichner und Musiker, gilt eine Ausstellung im Kaiserlichen Hofmobiliendepot Wien.
VON THOMAS KRAMAR


Die Striche sträuben sich gegeneinander, wie Haar, daß sich nicht bürsten läßt; inmitten einer Strähne meint man einen kleinen Kobold zu sehen: Was Walter Malli 1960 unter dem Serien-Übertitel "Sufi-Meditation" gezeichnet hat, wirkt so gar nicht meditativ im landläufigen Sinn. Eher unschmiegsam, widerborstig, eigensinnig.

So läßt sich Mallis Werk als Musiker und bildender Künstler wohl insgesamt beschreiben: Der gebürtige Grazer hat sich nach einem Studium an der Wiener "Angewandten", nach Versuchen mit informeller Malerei um 1960 der Kunst zugewandt, in der man damals am eigensinnigsten sein konnte: dem Jazz, genauer: dem werdenden Freejazz. Ab 1966 firmierte er, der sich inzwischen mit zweiten Namen "Muhammad" nannte, unter "Masters of Unorthodox Jazz". Neben Fritz Novotnys "Reform Art Unit", bei der Malli auch mitspielte, war das die wichtigste Wiener Werkstätte der freien Improvisation. Und diese war damals kein erprobtes Ritual einer längst deklarierten Freiheit, sondern Exerzitium der Befreiung. "Musik, die man proben muß, ist keine Musik", sagte Malli einmal kategorisch, obwohl er freilich auch selbst komponierte: "völlig persönliche, irrationale Sachen, das soll auch so sein."

Bilder aus Wien

Schon 1959, lange bevor der US-Saxophonist John Coltrane selbst in den Freejazz aufgebrochen war, malte Malli eine Aquarell-Serie "Salut to John Coltrane". Als Maler verließ er das abstrakte Genre bald wieder: Es wurde ihm "zu fad". Wenn er in späteren Jahren mit dem Filzstift "improvisierte" (zum Fluß der Musik, abwechselnd mit dem Sopransaxophon), ließ er Könige, Blumen und Teuferln tanzen, nur zum Beispiel, in einer schnellen und seltsamen Welt.

Gegen diese eruptiven, witzigen, oft geradezu karikaturistischen Blätter stehen Mallis mit Tuschfeder in rhythmischen Strichen, aber detailliert und liebevoll gezeichnete Wiener Stadtansichten, von der Nußdorfer Straße mit all den elektrischen Drähten über ihr bis zur "Stadtbahnstation Kettenbrückengasse", die sich in sich selbst krümmt, als ob der Raum sich mit allen seinen Vektoren dagegen sträubte, euklidisch zu sein.

Genauigkeit in der Seltsamkeit - oder umgekehrt. So hat Malli wohl auch ab 1986 seinen Brotberuf als Hausaufseher im Schloß Schönbrunn ausgeübt. Als dessen Verwaltung von einer Bundesdienststelle in eine ausgegliederte Gesellschaft überführt wurde, betrübte es Malli, daß er fortan niemanden mehr mit "Guten Morgen, Herr Hofrat" grüßen konnte. Daß er nun für einige Zeit als "Artist in Residence" (im doppelten Sinn) vom Dienst freigestellt ist, wird ihn wohl ein wenig trösten.

So gilt dem Eigensinnigen nun endlich eine umfassende Werkschau. Die natürlich auch sein bewegtes Musikerleben dokumentiert - beziehungsweise zeigt, wie er dieses selbst dokumentiert hat: mit einer Sofortbildkamera, mit der er auch Interviewer zu überraschen pflegte: "So, jetzt müaß ma no a Bildl machen", sagte er dann in seinem unnachahmlich schleppenden Steirisch - und hielt den verdutzten Journalisten fest.

Die Personale wäre halb ohne Musikprogramm: Ingrid Karl von der Wiener Musikgalerie hat vier sehr spezielle Konzerte für die Freitage des Juni organisiert, u. a. mit Mallis "Innerer Kopfjagd" und den "Catatonic Contrasts", aber auch mit geistesverwandten Musikern wie dem britischen Freejazz-Gitarristen Derek Bailey und dem US-Exzentriker Eugene Chadbourne. Leider ist kein Abend mit "Hiphop Finger" dabei, deren recht geraden Tanzrhythmen Malli so obstinate Saxophon-Ausbrüche entgegenzusetzen wußte. Auch keine Wienerlieder. Aber es ist wohl unmöglich, alles, was dieser wunderbare Querkopf je angestellt hat, in eine Nußschale zu packen.

Bis 14. Juli, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Wien 7, Mariahilfer Straße 88.



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