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30.01.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Galerie Mezzanin: Mickey - Galerie Senn: Silver Surfer

kunstraum

Irres Gekicher schallt durch die Galerie. Zwei enthemmte Mickey Mäuse gehen in Anna Jermolaewas neuem Video "Kiss" abwechselnd aufeinander los. Anstatt zu schmusen, beißen sie herzhaft Stücke aus der Maske ihres Gegenübers heraus. Das kurze Video (7000 €) ist zwar witzig, dennoch schwingt eine Menge Bedeutungsschweres mit: die grinsenden Larven, die wir tragen; der Wunsch, dahinterzublicken und die Gewalt, die diese Sehnsucht oft impliziert. Die 1968 geborene Künstlerin, die gerade eine Professur für Neue Medien in Karlsruhe erhalten hat, spricht stets mit harmlosen Bildern existenzielles Unbehagen an. Ein anderes Video zeigt drei auf einem Floß zusammengebundene Aufziehpuppen (6500 €). Während sie immer weiter aufs Meer hinaustreiben, klingt ihr nervig fröhlicher Singsang nach. Eine Kindesaussetzung nach biblischem Vorbild? Protest gegen den Spielzeugkonsumzwang? Auf alle Fälle zum Schmunzeln. So auch "go . . . go . . . go . . . go . . ." (5000 €), in dem Reiseführer mit Wimpeln auf Stangen Touristen durch Städte lotsen. Wer weiß, dass Jermolaewa in Moskau geboren ist, erkennt schnell den politischen Subtext. (Bis 25. März, Getreidemarkt 14, Wien 1)

Galerie Senn: Silver Surfer

Bei den neuen üppigen Bildern von Hans Weigand weiß man nicht, ob man sie unerhört scheußlich finden oder sich von der offensichtlichen Freude an der Ironie anstecken lassen soll. Der Künstler generiert seine postmodernen Bildschöpfungen am Computer und veredelt sie anschließend mit echter Farbe. Gleich zu Beginn der Schau ein "Altar": Für das Triptychon "Roads to Babylon" hat Weigand ins Volle gegriffen. Die Alten Meister mussten für dieses Sampling ebenso Federn lassen wie zeitgenössische Kriegsreportagen. Rund um ein bedrohliches Autobahnkreuz spielt sich Apokalyptisches ab. Hier kämpfen Truppen gegen einen unsichtbaren Feind, dort flüchten gemalte Gestalten vor Sodom und Gomorrha. Nur die Comicfigur Silver Surfer bleibt da noch cool. Ein religiöses Werk, wie geschaffen für eine Villa in Malibu. (Bis 18. März, Schleifmühlg. 1A, Wien 4) Nicole Scheyerer

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