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15.11.2005 - Kultur&Medien / Kommentare
Zwischentöne: Sponsoren können Kunst gefährden
WILHELM SINKOVICZ
Die Drohung, sie seien nicht mehr finanzierbar, hängt wie ein Damoklesschwert über den Kulturbetrieben

Wir unterbrechen heute, um nicht für immer zu schweigen", verkündete der Bürgermeister von Venedig, als er während einer Aufführung von Verdis "Nabucco" im Teatro La Fenice auf die Bühne trat. Er tat es just während des Gefangenenchors, was in Italien etwa jene Signalwirkung hat, als würde während des Donauwalzers im Wiener Neujahrskonzert unterbrochen.

Schweigen für immer? Die von der italienischen Regierung avisierten Kürzungen des Kulturbudgets hätten für das ohnehin dezimierte Opernleben im Mutterland der Oper das Ende bedeutet. Man hat die drastischen Sparmaßnahmen im letzten Moment unterbunden. Einmal noch.

Wer garantiert, dass beim nächsten Mal wieder eingelenkt wird? Die Drohung, sie seien nicht mehr finanzierbar, hängt wie ein Damoklesschwert über den Kulturbetrieben. Nicht nur in Italien. In Österreich sind die Subventionen für die Bundestheater seit Jahren gedeckelt, das heißt im Klartext: Sie reduzieren sich von Monat zu Monat. Nicht einmal die Inflation wird abgegolten. Dass das auf Dauer nicht gehen kann, ist leicht vorherzusehen. Diskussionen über mögliche Strukturreformen - etwa eine Zusammenlegung der Staats- und der Volksoper - laufen letztlich nur auf weitere Maskierung der Probleme und der weiteren Kostenreduzierung hinaus. Bis es irgendwann einmal kein Zurück mehr gibt und ein Haus schließt. Oder eins nach dem andern?

Das Sich-Herausstehlen aus der Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines qualitativ hochwertigen Kulturbetriebs hat freilich ein viel effektiveres Feigenblatt, die so genannten privaten Sponsoren, in der Regel Firmen, die Geld geben, um im Rahmen von Kultur-Veranstaltungen dann Werbung machen zu können.

Die Sache mit der Werbung ist legitim, problematisch aber die sukzessive Abwälzung des Finanzierungsbedarfs auf die private Ebene. Der Vergleich mit den USA ist in doppelter Hinsicht lehrreich. Zum einen können die Amerikaner Zuwendungen an Kunst-Institute von der Steuer absetzen - womit es sich wieder um eine staatliche Subvention handelt, wenn auch über Umwege.

Zum andern ist just dieser Umweg ein gefährlicher. Denn wer sein privates Geld, auch wenn es so privat, wie man sieht, wieder nicht ist, in eine bestimmte Sache steckt, redet gern darüber mit, wie diese Sache auszusehen hätte. Wer meint, künstlerische Freiheit sei über solche Überlegungen erhaben, unterschätzt die normative Kraft des Faktischen. Wir wollen gar nicht darüber spekulieren, was das bei uns hieße, käme ein Bankdirektor auf die Idee, Opernaufführungen nur dann zu sponsern, wenn eine bestimmte Sängerin darin auftritt. So weit will man es wohl nicht kommen lassen.

Um sicher davor zu sein, um auf Dauer die Möglichkeit offen zu lassen, dass etwa die Wiener Staatsoper zum Jubiläum einen durchaus riskanten Spielplan aus Werken des 20. Jahrhunderts ausrichtet, bei dem mangels glamouröser Werbe-Effekte kein Sponsor je helfen wird, muss sich ein Kulturland seine Kultur - die nicht zuletzt Image und Selbstverständnis wesentlich prägt - leisten wollen. Ein Blick auf das Verhältnis zwischen Kulturbudget und anderen Staatsausgaben lehrt, dass man sie sich jedenfalls leisten kann.

Nicht nur in Italien.

wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

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