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Montag 24.09.2001, 15:31
Das Presse-Online Archiv
Erscheinungsdatum: 22.09.2001 Ressort: Kultur/Medien
 
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Leopold-Museum: Das private Auge eines großen Sammlers
Am Freitag wurde das Leopold-Museum in Wien offiziell eröffnet. Es offenbart, was von ihm erwartet wurde - aber überrascht von seinen Inhalten her nicht. Wer maßgebende Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sucht, geht leer aus.

Von Kristian Sotriffer

Die Kollegin von der großen Hamburger Wochenzeitung wirkt ein wenig ratlos. Die Bedeutung der Leopold-Sammlung ist ihr natürlich bewußt, und sie ist nicht einer zweiten oder dritten Riege wegen, die es auch gibt, angereist, sondern um die bekannten Glanzstücke zu sehen. Wovon diese aber garniert werden, irritiert nicht nur ihren Blick.
Künftige Besucher - speziell die aus den Nachbarländern - werden also im Erdgeschoß mit seinen Schwerpunkten Wien um 1900 zwischen Secession und Wiener Werkstätte verharren, vor allem vor Klimt und der Gerstl-Kollektion. Dann werden sie Schiele im zweiten Obergeschoß suchen, eingebettet in das, was dort als "Österreichischer Expressionismus" bezeichnet wird, und schließlich in der Graphiksammlung ganz unten nocheinmal nach den Großen, Kokoschka und Kubin eingeschlossen, Ausschau halten.

Leopold Birstinger

Die dem 19. Jahrhundert gewidmeten Räume werden die meisten, bestimmten Markierungen folgenden, Betrachter rasch durchqueren - über ihnen aber hoffentlich den großartigen Block zentraler Arbeiten von Egger-Lienz nicht übersehen, dabei vermutlich aber dem Meisten, was sich um ihn aus der Zwischenkriegszeit reiht, nur geringes Augenmerk schenken.
Dem Abschnitt der beiden Jahrzehnte zwischen 1918 und 1938 aber glaubt Leopold eine Art Ehrenrettung schuldig zu sein. Das führt einerseits zu Überbetonungen, andererseits auch zu berechtigter Rehabilitation wie im Fall Leopold Birstinger, der dem Neuland-Bund nahestand, und Rudolf Szyszkowitz (der aber fehlt). Beide waren mit Otto Mauer befreundet, ehe der sich jenen jüngeren Künstlern zuwandte, die bei dem mageren Anteil von Werken nach 1945 allesamt nicht anzutreffen sind - Hollegha und Mikl ausgenommen. Aber auch aus der Gilde ehemaliger Neuland-Künstler fehlt einer völlig: Max Weiler.

Zu viel Gustav Hessing

Dafür verfügt Joseph Dobrowsky mit qualitativ wechselnden Arbeiten über mehr als einen ganzen Saal - ebenso wie erstaunlicherweise auch der spätere, alles andere als innovative Akademielehrer Gustav Hessing. Die Reihe von Werken Hans Böhlers überzeugt ebenso wenig wie Herbert Boeckl als zentrale Figur entsprechend gewichtet erscheint. Daraus geht schon hervor, daß die sogenannten "Zwischenkriegsmaler" von Leopold über die entsprechenden Jahre hinaus beachtet wurden; wie natürlich auch einige Emigranten, unter ihnen Joseph Floch und Gerhart Frankl - oder Leopold Hauer, mit dem der Forschende auch Kontakte wegen dessen Egger-Lienz-Sammlung unterhielt.
Hin und wieder mischt sich einer ein, der nach 1945 im lokalen Bereich weiter wirksam blieb: etwa Werner Berg, der freilich auf der Liste ausgestellter Künstler anläßlich dieser Erstpräsentation ebenso wenig zu finden ist wie der Tiroler Wilfried Kirschl - dafür sind aber beide mit je einem Werk präsent. Ferdinand Stransky wieder ist gut vertreten, während Karl Stark, der sich ewig verfolgt Wähnende, mit geringerer Aufmerksamkeit bedacht wird.
Merkwürdig aber, daß zwar der Deutsche Georg Philipp Wörlen mit seiner semi-expressiv-neusachlichen Bildsprache auftritt, nicht jedoch dessen vergleichbarer Wiener Freund Carry Hauser. Derartige Ungereimtheiten setzen sich fort. Warum ist etwa im Bestand an jüngeren Werken Heinz Stangl vertreten, aber kein sogenannter "phantastischer Realist", keiner von den "Wirklichkeiten" oder den Malern der achtziger Jahre, die ja auch gegenüber, im Mumok, allesamt im Depot blieben? Und wenn Leopold an Carl Unger oder Linde Waber dachte, warum wirken deren Bilder dann so isoliert von allem anderen, worin sie standen und stehen? Kennzeichnenderweise endet das Katalog-Begleitbuch der Sammlung mit der Vorkriegszeit, obwohl ja bekannt ist, daß Leopold zumindest partiell auch jüngeren Künstlern Aufmerksamkeit schenkte und schenkt, ständig irgendwo etwas Neues erwirbt.
Nur: Um seine von ihm selbst so gerühmten erkennenden, die offizielle Kunstgeschichte zu korrigieren versuchenden Wiener (!) Augen scheint es nicht immer so gut bestellt. Zwar findet sich was von Oswald Oberhuber, aber zu einem Hundertwasser oder Staudacher, einem Frohner oder Eisler (der ihm doch liegen müßte) reichte es auch nicht. Dafür aber zu einem Komplex Walde.

Blinde Flecken

Wer jetzt an die Chance geglaubt haben sollte, im Leopold-Museum (auch) zu finden, was ihm im Mumok oder der Österreichischen Galerie vorenthalten bleibt, wird in dieser Hinsicht enttäuscht. Viele werden es aber nicht sein, weil sie von vorneherein einem anderen Zielpunkt zustreben und vom Kern der Sammlung natürlich wunschgemäß bedient werden - einem Sukkus im übrigen, der auch Kriterien für die Beurteilung alles Übrigen bereithält.
Jetzt müßte wohl ein jüngerer Leopold nachfolgen und so vorgehen, wie es der Augenarzt einst getan hat, einen "blinden Fleck der offiziellen österreichischen Selbstwahrnehmung" korrigierend oder, wie es heißt, "kurierend". Vielleicht kann aber auch die Stadt Wien einmal einspringen und ihrem "Museum auf Abruf" ein entsprechendes Domizil verschaffen. Denn in deren Sammlung fände sich gut sortiert, was die anderen Museen nicht aufzuweisen haben oder schlicht verbergen.
Mi. bis Mo. 11 bis 19 Uhr, Fr. 11 bis 21 Uhr, Dienstag geschlossen.

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