Artikel
zurück | vorheriger Artikel | nächster Artikel | Links
Philipp Kaiser In inszenierten Fotografien umkreist der Wiener Künstler Gregor Zivic Fragen der Repräsentation seiner eigenen Malerei. Minuziöse Rekonstruktionen dienen dabei als Ausgangspunkt für ein vielschichtiges Spiel der Selbstdarstellung und medialen Reflexion.
Repräsentation und Rekonstruktion

Gregor Zivic im Kunstverein Salzburg

links: o.T., 1999, Fotografie/Kunststoff, Auflage 10, 124,5 x 240 cm
rechts: o.T., 1968/96, Fotografie/Aluminium, Auflage 10, 30 x 40 cm; alle Fotos: Courtesy Raum Aktueller Kunst Martin Janda, Wien

Aktuell zeigt der Salzburger Kunstverein bis zum 15.10. eine Einzelausstellung von Gregor Zivic

Von Hause aus ist Gregor Zivic eigentlich Maler, doch aufgrund seines Unbehagens bezüglich der Abbildungsmöglichkeit von Malerei in anderen Medien hat er vor drei Jahren mit einer Serie inszenierter Fotografien begonnen, die in aufwändigster Art und Weise einen neuen Rahmen der Repräsentation schafft. Mit mittlerweile acht unterschiedlich grossen Arbeiten soll diese Serie schon bald ihren Abschluss finden. Ob Gregor Zivic dann jedoch wieder zur Malerei zurückkehren wird, die er in Ausstellungen meist mit Fotografien in ein Wechselspiel bringt, bleibt fraglich.

Orte der Selbstdarstellung In dem etwas bieder anmutenden Innenraum eines Hauses aus den sechziger Jahren bietet sich dem Blick ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Figur, Set und Malerei dar. Während eine grellgelb geschlungene, tiefenräumlich wirkende Malerei die eine Bildhälfte dominiert, ist auf der linken Seite der Künstler in eine autistische Handlung verstrickt. Virtuos versucht er einen schwebenden blauen Plastikball, der sichtlich an einer Schnur befestigt ist, aufzufangen. Die Farben seiner Kleider scheinen der Malerei angenähert zu sein und bilden so eine kompositorische Klammer. Die Tür im Hintergrund, die ein Spiegelbild der Figur preisgibt, wird in allen weiteren Fotografien wieder auftauchen. Als streng minimalistisches Pendant zur Malerei kommt ihr hier nicht nur eine formale Funktion zu, gleichzeitig ist sie auch Hinweis auf die soziale Herkunft des Künstlers. Als Ursprung und Ausgangspunkt der Serie diente Gregor Zivic nämlich ein privater Schnappschuss, der ihn als Kind mit Bruder und Vater vor dem Eingangsbereich des elterlichen Hauses zeigt. Die Tür, in der sich hinter dem einen Kind der übergrosse Schatten des Vaters abzeichnet, findet sich hier ebenso wie die farbig gestreiften Kinderkleider. Das biografische Repertoire rückt die Serie in einen autoreflexiven Kontext. Das malerische Werk wird in gebauten Versatzstücken heimeliger, aber auch fiktiver Vergangenheit lokalisiert und präsentiert. In einem späteren Werk findet sich eine schwarzweisse Reproduktion von Zivic’s Malerei, verankert in kunsthistorischen Verweissystemen, die nicht zufällig an räumlich arbeitende Künstler wie Mondrian, Schwitters und Mike Kelley denken lässt. Indem nun Gregor Zivic innerhalb von Erinnerung und Tradition operiert, baut er Räume der Imagination. Durch die Verkehrung des Raumes und die zahlreichen Spiegelungen der Figur suggerieren die Fotografien zusätzlich eine entrückte Surrealität. Das gespaltene Subjekt, die teils kindlich wahrgenommene Perspektive der Kamera und die Maskerade des Künstlers kollidieren mit der elterlichen Wirklichkeit und verzaubern die Orte der Selbstdarstellung in ein traumähnliches Universum.

Malerei, Fotografie und Film Die Abfolge der fotografischen Serie ist durch einen Transformationsprozess in der Wiedergabe der malerischen Werke gekennzeichnet. Ging es bei den ersten Arbeiten noch primär um Fragen der Positionierung und Repräsentation von Malerei, so scheinen diese bald nicht mehr so wichtig zu sein und grossformatige Ölbilder finden sich sogar an einem nachgebauten Tankwagen befestigt. Damit sind sie bloss noch Erkennungszeichen, ähnlich einem Logo, das erkannt aber nicht erschaut werden will.

Komplexere Raumsituationen, wie etwa die verschachtelte, skulptural zusammengefügte Tankstelle, ermöglichen als Dispositionen Platz für vermeintliche Erzählungen. Zivic’s Bühnen mit der immergleichen Tür, der Malerei und dem verkleideten Akteur weisen trotz ihrer enormen Unterschiedlichkeit ein verbindendes Moment auf. Wohl das auffälligste Zeichen dafür ist der farbige Plastikball, der ebenfalls allerorts auftaucht und einerseits konstruktiv und auch metaphorisch für die kompositorische Ausbalancierung der inszenierten Fotografien steht, andererseits aber seinem Wesen nach von einem Bild ins andere rollt. So gleicht die Serie strukturell dem Film, wenngleich die in den Einzelbildern angelegten Handlungsansätze weniger als interpretierbare Filmstills gelten können, denn als narrative, vieldeutige Fallen. Gregor Zivic nutzt hierbei das Potenzial der Fotografie, Handlungen einzufrieren und dadurch in ihrem zeitlichen Ablauf zu verunklären. Die Fotografie wird insgesamt auf ihre Abbildungsfähigkeit hin untersucht und wird zugleich in ein Verhältnis zur Malerei gestellt. Auf den ersten Blick dominiert so – trotz fotografischer Selbstreflexion etwa im Abbilden der Simultaneität von zwei unterschiedlichen Zeitlichkeiten, beispielsweise im Nebeneinander eines starren und eines bewegten Balls – die Nutzbarmachung der Fotografie im Dienste der Malerei. Das kompositorische Bewusstsein in den inszenierten Arbeiten täuscht aber nicht darüber hinweg, dass im jüngsten Bild Zivics das ungewöhnliche sechseckige Format der Innenraumansicht nicht eigentlich eine ästhetische Entscheidung war, sondern eine Vorgabe des skulpturalen Bühnenbaus. Das Verhältnis zwischen räumlicher Malerei und Fotografie ist hier äusserst spannungsreich, denn die Fotografie ist hier Mittel, um abzubilden, aber gleichzeitig auch dominantes Repräsentationsmedium, indem nämlich der ganze Innenraum auf die perspektivischen Verjüngungen der fotografischen Abbildungsgegebenheiten hin konstruiert wurde. Dieses dialektische Verhältnis der Medien zueinander findet sich in unterschiedlicher Variation bei allen Arbeiten Zivic’s und lässt jede müssige Diskussion um Malerei oder Fotografie im Keime ersticken.

Anfang

 

Links

Ausgabe: 10 / 2000
Ausstellung: ( - )
Institution: Kunstverein (Salzburg)
Autor/in: Philipp Kaiser
Künstler/in: Gregor Zivic

 

© 1997 - 2001 by www.kunstbulletin.ch