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Kunstberichte

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Illustration

Oben rein, unten raus

(cai) Einem supermarktverwöhnten Europäer könnte es schon passieren, dass er den Durstigen auf der Erde, die kein Wasser haben, den Lösungsvorschlag macht: Wieso trinkt ihr nicht einfach Coca-Cola (und bewässert eure Felder mit Evian aus der praktischen Einwegflasche)? Den Applaus der ganzen dritten Welt für seine "rettende Idee" darf er sich halt nicht erwarten. Da bricht eher ein Hobby-Beduine, der dehydriert durch die Wüste stapft, in Jubel aus, wenn plötzlich ein Carepaket vom Himmel fiele und drinnen wären ausnahmslos Bikinis ("Juhu, ich bin gerettet!"). Weil er dann wenigstens seine Fata Morgana sexy anziehen könnte? Nein: seinen Urin in Trinkwasser verwandeln. Sofern ihm der nicht vorher in der Hitze verdunstet. Und sofern er zufällig noch Aktivkohle, Sand (den wird er ja zur Genüge haben) und ein paar Flusssteine findet.

Mark Hosking, offenbar ein Endzeitvisionär mit der Haupttugend der Pfadfinder ("Allzeit bereit"), der jeden Augenblick damit rechnet, dass unsre technischen Geräte alle gleichzeitig eingehen, bastelt nämlich mit immensem Improvisationstalent Katastrophenbewältigungsapparate. Diesmal eben eine primitive Wasseraufbereitungsanlage aus übereinandergehängten halben Bikini-Oberteilen (könnten auch die Dreiecke von Stringtangas sein), gefüllt mit filterndem Sand usw., durch die das schmutzige Wasser durch- und unten sauber in eine Flasche rinnen soll. Oben rein, unten raus (ist auch das Prinzip des Bierkonsums). Leider sind die Bikinis gerade außer Betrieb. Die Wasserspiele würden wohl pikante Stoffwechsel-Assoziationen wecken. Unkontrolliertes Wasserlassen, ästhetisch verklärt. Dasselbe gibt’s mit Hemden und Krawatten. (Weil Büromänner so viel harntreibenden Kaffee trinken?) Als pure Kunst funktionieren die Textilgespinste wegen ihrer fulminanten prägnanten Anmut aber auch gut. Ohne den Überlebenskampf-Gag.

Engholm Engelhorn Galerie

(Schleifmühlgasse 3)

Mark Hosking

Bis 31. Oktober

Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Witzig (oder bizarr?).

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Konzertante Flatulenz

(cai) Das "Rotationsquintett" von Constantin Luser (gemeinsam mit Lukas Galehr und Matthias Makowsky) absorbiert sowieso alle Blicke: Ein Karussell für fünf Bläser und einen, der das abenteuerliche Ding dreht . Der Spieltrieb der Blasmusiker (der Drang, den sie verspüren, ins Instrument zu pusten) ist da ungeniert mit dem der Kinder kombiniert. An der "Kinderzentrifuge" vom Spielplatz sind nämlich manieriert verschnörkelte Blasinstrumente montiert. Drum klingt das Drehwurm-Blaskonzert meist wie eine Furz-Apokalypse. Für Lusers stille Zeichnungen sollte man aber noch ein bissl Schaulust übriglassen. Manische Gedankenlandschaften. Fantasieprotokolle. Viel Banales, beinhart originelle Details. Etwa die Evolutionsgeschichte "Von der Zelle zur Semmel".

Galerie König

(Schleifmühlgasse 1a)

Constantin Luser

Bis 4. November

Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Stimulierend.

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Die Zeit aufwickeln

(cai) Das Rezept von Barbara Mungenast ist watscheneinfach (das Ergebnis umso einprägsamer): Man nehme eine runde Leinwand und fahre innen am Rand entlang mit der Farbe unentwegt im Kreis. Lasse nur ein saugendes weißes Zentrum frei. Eigentlich Ikonen, die dem kosmischen Prinzip der Kreisbewegung huldigen. In gestischer Klarheit. Die Linien speichern die Zeit. Wie ein Wollfaden, der zu einem Knäuel aufgewickelt wird und ja auch eine Weile dafür braucht.

Gabriele Senn Galerie

(Schleifmühlgasse 1)

Barbara Mungenast

Bis 28. Oktober

Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Schlackenlos.

Mittwoch, 11. Oktober 2006


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