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Schwimmer im großen Zeitenmeer

In ein Labyrinth aus Leuchtstoffröhren hat Hans Dragosits das Architekturforum verwandelt.

INNSBRUCK. Die Ausstellung verlangt einen in mehrfacher Weise aufmerksamen Besucher. Denn das Gefüge der 30 Zentimeter über dem Boden installierten Leuchtstoffröhren ist höchst fragil genauso wie das Konzept, das Dragosits Installation zugrunde liegt. Um Licht, Zeit und Raum geht es in der Ausstellung, die in ihrer absoluten Authentizität eine der überzeugendsten ist, die seit langem in Innsbruck zu sehen war.

Basis der Installation ist ein - ebenfalls im Architekturforum zu sehendes - Bild, das aus 888 Linien besteht. Um gerasterte Zeit geht es hier, ein altes Thema des Künstlers, das er nun erstmals in den Raum transformiert.
Die exakte Choreografie des auf diese Weise entstehenden Raumgitters setzt sich bei Dunkelheit virtuell im Außenraum ins scheinbar Unendliche fort.

Bei der Konstruktion seines schwebenden Zeitnetzes hat Hans Dragosits nichts dem Zufall überlassen. Sogar der Schatten, den die Leuchtstoffröhren an die Galeriewand werfen, ist exakt berechnet, bildet eine homogen durchlaufende Linie. Diese Linie ist nicht zuletzt Ausdruck der Präzision des Denkens von Hans Dragosits, dem alles Spekulative, jeder vordergründige Manier verhasst ist.

"Ich habe die Strenge der Geometrie mit meiner Subjektivität erfüllt", so der 62-jährige Künstler, der seit rund 25 Jahren philosophische und religiöse Fragen mit den Mitteln der Kunst zu beantworten versucht.

Das Gehen durch Hans Dragosits’ Installation gleicht dem Durchschwimmen eines Zeitmeeres. Keine der verschieden langen Leuchtstoffröhren ist in der Flucht mit einer anderen, sondern Teil eines exakt durchdachten Netzes filigraner, im Horizontalen ausgebreiteter schwebender Linien aus Licht.

Doch die Installation umfasst den gesamten Raum, den Betrachter inklusive. Das zarte Raumgitter in der Vertikale definieren spröde metallene Aufhängungen. Reizvoll gebrochen wird die Geometrie gewordene Stringenz des Denkens von Hans Dragosits durch den für die Stromversorgung notwendigen "Kabelsalat". Dieser stört Dragosits nicht, empfindet er vielmehr als Ausdruck der Erdung im realen wie emotionalen Sinn.
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Architekturforum Tirol, Erlerstraße 1, Innsbruck; bis 23. Mai, Montag bis Freitag 14 bis 19 Uhr
2003-04-18 13:26:06