VN Fr, 21.9.2001

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Hinunter ins Maul des Monsters

Bregenz hat die erste Kunst-Unterführung - Uwe Jäntsch hat sie mit Kindern realisiert

Bregenz (VN-cd) Das Projekt "Kunst in der Stadt" wurde in diesem Sommer nicht realisiert, dennoch hat sich im öffentlichen Raum in Bregenz Kunst ereignet. Unvorhergesehen wie durch das Auslegen einiger Foto-Arbeiten von Jeff Koons im Terminal von Gottfried Bechtold am Leutbühel und bislang beinahe unbemerkt, wie in der Fußgängerunterführung beim Hafen. Dort hat Uwe Jäntsch gemeinsam mit Kindern gearbeitet und eines der schönsten Werke "hinterlassen", die man in Bregenz zuletzt zu Gesicht bekam.

Die Landeshauptstadt ist somit der dritte Ort, an dem eine Arbeit von Uwe Jäntsch ins Straßenbild hineinwirkt. In Hamburg ist es ein Haus am Fischmarkt, das seine Handschrift trägt, und die Ruine an der Piazza Garraffello in Palermo ist in verschiedene Kunstmagazine aufgenommen worden, nachdem sie der aus Lochau stammende Zeichner und Filmemacher mit seinen Motiven versehen hat.

Im Stadtteil La Vucciria hatte er einen Raum eingerichtet, in dem sich des Nachts einfinden konnte wer wollte. Und das waren vor allem Menschen verschiedener Nationalitäten und aus verschiedenen sozialen Schichten. Optisch nach dem Vorbild einer dieser vielen Heiligennischen auf Sizilien gestaltet, war es sozusagen auch ein Frauenraum in einer Männerwelt. Das Projekt wurde nun in einem Buch dokumentiert. Im Rahmen der von der Kunsthistorikerin Marion Kotula-Studer ins Leben gerufenen Aktion "Kinder und Künstler" hat er nun mit zwölf Kindern im Alter von acht bis 14 Jahren in Bregenz eine Fußgängerunterführung "ausgemalt". Das heißt, gemalt haben ausschließlich die Kinder.

Ungemein kreativ

Angesichts der Tatsache, dass man sich hier genaugenommen unter den Bodenseespiegel begibt, stand das Thema bald fest: Monster, Schlangen, Würmer und allerlei Getier und Fabelwesen sollten den Weg des Reisenden bevölkern, der entweder von einem Schiff oder vom Bahnsteig in die Stadt geht (oder umgekehrt). Den Kindern brauchte nicht viel erklärt zu werden, Uwe Jäntsch wollte lediglich eine Farbe verwendet haben, ein Schokoladebraun. Als Kontrast dazu hat er an den Stufen Streifen in gelber Leuchtfarbe angebracht, die auch mit der Deckenbeleuchtung korrespondieren. Die erste Wand hatte man im Nu fertig, der Rest war in den fünf Tagen gut zu bewältigen. Von der Kreativität seiner Anvertrauten selbst überrascht, gab es nur noch bezüglich der Deckengestaltung eine Diskussion. Die Verantwortlichen der ÖBB, deren Zustimmung etwas Überzeugungsarbeit brauchte, wollten die Decken freigelassen haben, doch einer der jungen Künstler wollte schließlich vier große Mäuler. Sie prangen nun an den jeweiligen Eingängen.

Auf den Schultern getragen

Keine Angst, der Abstieg unter dem Maul ist nicht schaurig, sondern wirklich schön. Und wer sich fragt, wie denn die Kinder es schafften, sich an den oberen Wandflächen bzw. an der Decke zu "verewigen", bekommt ein berührendes Bild geschildert. Jäntsch und seine Assistentin Sandra Dorner haben die kleinen Maler nämlich jeweils auf den Schultern getragen.

Ein Jahr lang soll diese aufregende Wandbemalung nun erst einmal beobachtet werden. Ganz ohne großes Trara hat Bregenz damit in einer Unterführung, die einmal nicht von hässlichen Werbetafeln verunstaltet ist, ein tolles Kunstwerk. Die Raumwirkung ist grandios, es besteht eigentlich nur die Gefahr, dass man beim Ablesen dieser spannenden Motive den Zug oder das Schiff versäumt. Aber was soll's, es gibt ja immer wieder eine nächste Einstiegsmöglichkeit, es kommt aber eben nicht oft ein Künstler in die Stadt, der mit Kindern ein derart anziehen-des, einzigartiges Kunstwerk schafft.

Uwe Jäntschs Kunst-Unterführung wird heute mit einem Fest eröffnet. (Foto: Dietrich)




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