Grenze zwischen Eingriff und Zustand
Naturbau. Margherita Spiluttini fotografiert Gebautes. Weil sie aber die Natur rundherum mitdenkt, sind ihre Bilder so beeindruckend.
BERNHARD FLIEHER SALZBURG(SN).Ohne Menschen sind die Landschaften und Stadtblicke. Weil aber eingegriffen wird in die Natur, so taucht in den Fotos von Margherita Spiluttini auch auf, was der Mensch tut. Sie lässt jedoch offen, worauf der Betrachter seinen Schwerpunkt legt: auf das menschliche Geschaffene oder das Naturgegebene. Und sie enthält sich jeder Wertung, ob sie die Veränderungen freundlich oder störend empfindet.
Jedenfalls entwickelt sich beiMargherita Spiluttinis Bildern, die ab heute, Donnerstag, im Salzburger Rupertinum zu sehen sind, aus einem Nebeneinander, Übereinander oder Ineinander von Natur und Gebautem, von Eingriff und Zustand enorme Spannung. Das regt zum Denken an und macht Spiluttini zu einer der bedeutendsten Architekturfotografinnen der Gegenwart. Andererseits: „Sie als ,Architekturfotografin‘ zu bezeichnen wäre eine verkürzte Kategorisierung“, sagt Margit Zuckriegl, die die Ausstellung kuratierte.
Gleichsam eine Gesamtretrospektive sei zu sehen, sagte Museumsdirektor Toni Stoss am Mittwoch in der Presseführung. In verschiedenen Werkblöcken wird die fotografische Karriere der einstigen medizinisch-technischen Assistentin gezeigt. Anlass für die Schau: Margherita Spiluttini wurde zur Ausstellungseröffnung am Mittwochabend der Otto-Breicha-Preis verliehen. Nach Ferry Radax ist sie die zweite Trägerin dieser Auszeichnung, die seit 2007 die Tradition des 1983 gegründeten Rupertinum-Fotopreises fortsetzt und an Otto Breicha, Gründungsdirektor des Rupertinums, erinnert.
Margherita Spiluttini, geboren 1947 in Schwarzach im Pongau, arbeitet nicht als dienende Fotografin, die für Architekten fotografiert, was diese zu Werbezwecken brauchen. Sie fotografiert Architektur nicht nur zu Dokumentarzwecken. Immer entscheide sie „ganz subjektiv, wo die Kamera stehe“, welcher Blick ihr richtig vorkomme, sagte Spiluttini am Mittwoch. Allerdings sei es dabei für sie „sehr wichtig, viel von dem zu wissen“, was sie abbilde.
„Herzstück der Ausstellung“ (Zuckriegl) ist die Serie „Nach der Natur“, die in Form einer Diashow Bauwerke in den Alpen präsentiert. Frühe Beispiele des Zusammentreffens historischer mit moderner Architektur in Wien und ihre lange Zusammenarbeit mit den Architekten Herzog und de Meuron werden dokumentiert.
Als freischaffende Fotografin begann Margherita Spiluttini als Autodidakt in den frühen 1980er-Jahren. Im Lauf der Zeit sei ihr immer stärker bewusst geworden, dass die Fotografie „reines Ornament“ sei. Architektur lasse sich auf diesem Weg nicht einfangen. Es fehle „der Geruch, die Temperatur, alles Haptische und die dritte Dimension“. Der Anspruch, dass Fotografie als Beweis diene, weil sie die Wirklichkeit abbilde, sei nur „etwas sehr Mangelhaftes“. Je mehr ihr diese Schwierigkeit klar wurde, desto spannender empfand sie ihre Arbeit. Das Verbaute macht Spiluttini interessant, weil rundherum nichts verbaut ist – und umgekehrt.