Kultur

Kunst aus dem Grenzgebiet zum Tod

04.06.2007 | SN
Was Künstler im Jenseits des kühlen Verstandes und des rationalen Lebens entdeckt haben, zeigt das Kunsthaus Bregenz in seiner Ausstellung zum Thema "Mythos". WOLFGANG ÖLZ

Wolfgang Ölz Bregenz (SN). Auf dem Boden im Eingangsfoyer des Kunsthauses Bregenz liegen eine Eisenlafette, vier offene Zylinder, eine Straßenbahnschiene, Eisengestänge und eine Eisenkurbel. Warum sollte dieses rostige Gestänge ein Kunstwerk sein? Weil Erinnerungen, Wünsche, Ahnungen, Entscheidungen daran haften. Der deutsche Künstler Joseph Beuys (1921-1986) hat diese "Straßenbahnhaltestelle" 1976 für den deutschen Pavillon der Biennale in Venedig geschaffen und dafür jene Straßenbahnhaltestelle rekonstruiert, an der er in den 20er Jahren in seiner Heimatstadt Kleve oft gewartet hatte. Hier fällte er den Entschluss, Bildhauer zu werden.

Heute gilt die "Straßenbahnhaltestelle" als eine der bedeutendsten Arbeiten Joseph Beuys'. Sie ist ein zentrales Werk in der neuen Ausstellung zum Thema "Mythos" im Kunsthaus Bregenz, die in der Vorwoche eröffnet worden ist (bis 9. September). Als "Mythos" gilt dabei das, was die rational fassbare Welt ins Übernatürliche und Übermenschliche ausweitet. Und Joseph Beuys wird als einer jener Künstler vorgestellt, die die Grenze zwischen geordnetem Verstand und unfassbarem Bewusstsein aufspüren.

Zum Beispiel die Eisenstange in der "Straßenbahnhaltestelle" (im Bild das zweite Stück von links): Diese kann als totemähnliche Säule gesehen werden, aus deren Spitze ein scheinbar herausgepresster Kopf ragt. Dies sei eine "große Metapher für Leiden, aber auch für eine Hoffnung auf eine bessere Welt", erläutert Eckhard Schneider, Direktor des Kunsthauses Bregenz und Kurator der Ausstellung.

Die Stille und Starre dieser Stücke der "Straßenbahnhaltestelle", einst Zeugen von Beuys' Lebensentscheidung, erinnern an ein Grab. Überhaupt ist der Tod ein zentrales Motiv dieser Ausstellung. Dabei sei Tod nicht einfach als das Ende des leiblichen Todes zu sehen, sondern als "eine membrane Grenze", als Durchlass zwischen vielen Zuständen, sagt Eckhard Schneider im SN-Gespräch. Es gehe "um Energien, um Kräfte, um narrative Elemente".

Im ersten Stock schreit aus Werken Douglas Gordons das Memento Mori - die Ermahnung, des eigenen Sterbens zu gedenken. Eigens für diese Ausstellung hat der schottische Künstler ein Sinnbild des Todes geschaffen: Ein von vierzig Sternen durchlöcherter Totenkopf wird in einer Vitrine zur Schau gestellt. Für jedes Lebensjahr des 40-jährigen Künstlers ist ein Sternchen in die Schädeldecke gestanzt. Je älter der Künstler wird, desto mehr wird dieses Symbol des Todes zerstört.

Blut auf dem Schnittfeld zweier Spiegel Ein zweites Werk Douglas Gordons sind zwei Spiegel auf dem Boden, in deren Schnittfeld ein roter Fleck ist. Es ist keine x-beliebige Farbe, sondern das Blut des Künstlers. Zur Eröffnung der Ausstellung ließ er sich von einer Ärztin das Blut abnehmen, es wurde dann auf den Spiegel wie das Relikt eines Mordes aufgetragen. Spiegel und Blut verbinden sich zu einem Werk, das "Tod des Narziss" genannt werden könnte.

Der US-amerikanische Medienkünstler Matthew Barney zeigt im zweiten Stock die raumfüllende Skulptur "Cetacea" aus 2005. Dieser riesige Stamm mit einer großen, weißen Scheibe erinnert an ein unruhiges Meer und an eine mythische Verwandlung von Menschen in walähnliche Kreaturen.

Cy Twombly zeigt im dritten Stock den Übergang zwischen Leben und Tod in zwölf Bildern über eine der blutigsten Seeschlachten, jene von Lepanto 1571, in der spanische, venezianische und päpstliche Truppen die Osmanen besiegten und ihre Vorherrschaft am Mittelmeer sicherten. Cy Twombly hat diese Schlacht abstrakt und farbgewaltig dargestellt. "In dieser sensationellen Malerei geht es um Tod", erläutert Eckhard Schneider. "In den letzten Bildern sieht man, wie das Blut herunterrinnt. Sehr real, aber auch sehr metaphorisch, sehr symbolisch, sehr visionär."

Archiv
Salzburg: Stadt SalzburgFlachgauTennengauPongauPinzgauLungau
Nachrichten: InnenpolitikWeltpolitikSportWirtschaftChronikKulturHiTecimBildZeitung
Interaktiv: DebatteBlogsVideoBabybilder WizanySalzburgwiki
Freizeit: VeranstaltungenKinoMusikSpieleReisenWetterHoroskopGewinnspiele
Marktplatz: KarriereImmobilienMotorJobloungePartnerbörsePreisvergleichShopping Mall
SN-Service: Archiv Abo AnzeigenpreiseOnline Werbung MediadatenSN Saal Wir über uns
Salzburger Woche Service: Anzeigenpreise Kontakt
Leseliste löschen Gelesene Artikel löschen