In den vergangenen Jahren sind die fünf
Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus wieder
langsam durch Ausstellungen ins Bewusstsein gerückt, nachdem sie lange
Jahre geflissentlich übersehen wurden: ihre akribische Malweise und
auch die Themen einer gemäßigten Mischung aus Surrealismus und
Rückbesinnung auf die Malerei der Donauschule oder Hieronymus Bosch
passte ganz einfach nicht zu Konzeptkunst und neuer wilder Malerei.
Friedensreich Hundertwasser, der
eigentlich Friedrich Stowasser hieß, war durch seine letzten Bauten –
Thermenhotels und Kraftwerksbehübschungen – ebenso in die
Negativschlagzeilen geraten. Die aktuelle Rückbesinnung auf die frühen
Jahre der Gruppierung im Jüdischen Museum hat aber eine weitere
Ausgangsbasis.
Zehn Jahre Jüdisches Museum im Palais Eskeles wird mit der Schau
"phantastisches. Jüdisches in frühen Meisterwerken von Arik Brauer,
Ernst Fuchs und Friedensreich Hundertwasser" gefeiert. Dem Kurator ist
gelungen, neben unbekannten Bildern und Grafiken aus Privatbesitz
seltene Kataloge und Dokumente aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren
ausfindig zu machen.
Als Jude in der Hitlerjugend
So empfängt zu Beginn ein frühes Porträt des Lehrers an der
Akademie, Albert Paris Gütersloh, von Ernst Fuchs aus dem Besitz
Wolfgang Hutters. Daneben das "Pintoarium", ein antiakademisches
Manifest von Hundertwasser, Fuchs und Arnulf Rainer. Fuchs sieht sich
im Rückblick als zwanghaften Gruppenbildner, denn auch die
"Hundsgruppe" mit Maria Lassnig war von ihm mitbegründet.
Die Konzentration auf die drei Künstler hat mit ihrer jüdischen
Herkunft, der Aufarbeitung ihrer schwierigen Jugendjahre unter
nationalsozialistischer Herrschaft in den frühen Jahren ihrer Kunst zu
tun. Obwohl Fuchs und Hundertwasser katholisch getauft waren und
letzterer sogar, um seine Familie zu schützen, der HJ beitrat, sind
nach 1945, und bei Fuchs bis heute, jüdische Themen wichtig.
Seinen 1941 in der Emigration verstorbenen Großvater malte er 1945
als Ahasver, sich selbst immer wieder als Prophet. Auch die Köpfe des
Königs Saul oder Christus hinter dem Schweißtuch der Veronika sind
letztlich Selbstdarstellungen. Wie Brauer faszinierte ihn "Moses vor
dem brennenden Dornbusch", die endzeitliche Thematik von Psalm 69, er
radierte das Buch Esther und illustrierte das Buch Samson.
Brauer, dessen Vater in einem Lager in Lettland ermordet wurde,
reagierte stark auf das Erlebte: sein "Mann im Gas" oder das "Mädchen
im Bombentrichter" sind unbekannte Beispiele aus Privatbesitz. Etwas
später schuf er einen Zyklus aus sieben Ölbildern über die Verfolgung
der Juden seit der Sklaverei in Ägypten über Massada bis zum
Jom-Kippur-Krieg.
In Hamburger Privatbesitz befindet sich auch die unbekannte
Aufarbeitung "Krematorium" von Hundertwasser, in dessen Familie fast
alle Verwandten der Mutter deportiert wurden. Es ging aber wohl bei
allen Dreien weniger um Religion oder Identität als um die Aufarbeitung
der Schoa. Nicht nur im Katalog wird der Gruppe und ihrer Biografie
genau nachgegangen: Auch die Mitgliedschaft Hundertwassers in der HJ
ist dokumentiert und neben wichtigem Fotomaterial ausgestellt.
phantastisches
T. G. Natter (Kurator)
Bis 14. Jänner 2007
Jüdisches Museum
Geschichtsträchtig.
Mittwoch, 11. Oktober 2006