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Kunstberichte

Bilder von Schöpfung, Verfolgung und Tod

Jüdisches Museum feiert mit Schau über Phantastische Realisten Jubiläum
Illustration
- Das Jüdische Museum feiert Jubiläum – mit Werken prominenter Phantasten. Im Bild: Arik Brauers „Mann in Gas“, Ernst Fuchs’ „Prophetenkopf“ und Friedensreich Hundertwassers „Marokkanische Jüdin“.  Foto: Pfeifer, Brauer, Fuchs Privatstiftung, Kunsthaus Wien/apa

Das Jüdische Museum feiert Jubiläum – mit Werken prominenter Phantasten. Im Bild: Arik Brauers „Mann in Gas“, Ernst Fuchs’ „Prophetenkopf“ und Friedensreich Hundertwassers „Marokkanische Jüdin“. Foto: Pfeifer, Brauer, Fuchs Privatstiftung, Kunsthaus Wien/apa

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

In den vergangenen Jahren sind die fünf Hauptvertreter der Wiener Schule des Phantastischen Realismus wieder langsam durch Ausstellungen ins Bewusstsein gerückt, nachdem sie lange Jahre geflissentlich übersehen wurden: ihre akribische Malweise und auch die Themen einer gemäßigten Mischung aus Surrealismus und Rückbesinnung auf die Malerei der Donauschule oder Hieronymus Bosch passte ganz einfach nicht zu Konzeptkunst und neuer wilder Malerei.

Friedensreich Hundertwasser, der eigentlich Friedrich Stowasser hieß, war durch seine letzten Bauten – Thermenhotels und Kraftwerksbehübschungen – ebenso in die Negativschlagzeilen geraten. Die aktuelle Rückbesinnung auf die frühen Jahre der Gruppierung im Jüdischen Museum hat aber eine weitere Ausgangsbasis.

Zehn Jahre Jüdisches Museum im Palais Eskeles wird mit der Schau "phantastisches. Jüdisches in frühen Meisterwerken von Arik Brauer, Ernst Fuchs und Friedensreich Hundertwasser" gefeiert. Dem Kurator ist gelungen, neben unbekannten Bildern und Grafiken aus Privatbesitz seltene Kataloge und Dokumente aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren ausfindig zu machen.

Als Jude in der Hitlerjugend

So empfängt zu Beginn ein frühes Porträt des Lehrers an der Akademie, Albert Paris Gütersloh, von Ernst Fuchs aus dem Besitz Wolfgang Hutters. Daneben das "Pintoarium", ein antiakademisches Manifest von Hundertwasser, Fuchs und Arnulf Rainer. Fuchs sieht sich im Rückblick als zwanghaften Gruppenbildner, denn auch die "Hundsgruppe" mit Maria Lassnig war von ihm mitbegründet.

Die Konzentration auf die drei Künstler hat mit ihrer jüdischen Herkunft, der Aufarbeitung ihrer schwierigen Jugendjahre unter nationalsozialistischer Herrschaft in den frühen Jahren ihrer Kunst zu tun. Obwohl Fuchs und Hundertwasser katholisch getauft waren und letzterer sogar, um seine Familie zu schützen, der HJ beitrat, sind nach 1945, und bei Fuchs bis heute, jüdische Themen wichtig.

Seinen 1941 in der Emigration verstorbenen Großvater malte er 1945 als Ahasver, sich selbst immer wieder als Prophet. Auch die Köpfe des Königs Saul oder Christus hinter dem Schweißtuch der Veronika sind letztlich Selbstdarstellungen. Wie Brauer faszinierte ihn "Moses vor dem brennenden Dornbusch", die endzeitliche Thematik von Psalm 69, er radierte das Buch Esther und illustrierte das Buch Samson.

Brauer, dessen Vater in einem Lager in Lettland ermordet wurde, reagierte stark auf das Erlebte: sein "Mann im Gas" oder das "Mädchen im Bombentrichter" sind unbekannte Beispiele aus Privatbesitz. Etwas später schuf er einen Zyklus aus sieben Ölbildern über die Verfolgung der Juden seit der Sklaverei in Ägypten über Massada bis zum Jom-Kippur-Krieg.

In Hamburger Privatbesitz befindet sich auch die unbekannte Aufarbeitung "Krematorium" von Hundertwasser, in dessen Familie fast alle Verwandten der Mutter deportiert wurden. Es ging aber wohl bei allen Dreien weniger um Religion oder Identität als um die Aufarbeitung der Schoa. Nicht nur im Katalog wird der Gruppe und ihrer Biografie genau nachgegangen: Auch die Mitgliedschaft Hundertwassers in der HJ ist dokumentiert und neben wichtigem Fotomaterial ausgestellt.

phantastisches

T. G. Natter (Kurator)

Bis 14. Jänner 2007

Jüdisches Museum

Geschichtsträchtig.

Mittwoch, 11. Oktober 2006


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