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28.01.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kritik Ausstellung: Schlanke Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts
VON SABINE B. VOGEL
Secession: Oswald Oberhubers grandiose Werkschau "Der ewige Prozess der Geburt".

Schon viel zu lange hat man nichts mehr sehen können von Oswald Oberhuber. Das hat sich jetzt mit einem Paukenschlag geändert. Denn zu seinem 75. Geburtstag zeigt die Wiener Secession eine grandiose Ausstellung seiner Werke seit 1945.

Und die hat Sprengkraft. Denn Oberhuber bekannte sich vor genau 50 Jahren zur "permanenten Veränderung in der Kunst", lehnte konsequent jede künstlerische Stilbildung ab. So ist sein Werk zur schlanken Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts geworden: Auf zwei Podesten reihen sich Mengen kleiner Skulpturen, Klassisches aus Bronze, daneben freche Kombinationen wie der Farbeimer gefüllt mit Resten eines Holzrahmens oder die Schachtel mit Pinseln und Trichter, alles übermalt mit vielen bunten Punkten. Gegenüber drängeln sich auf einem Tisch kleine Modelle, hier und da auf Sockeln präsentiert gestapelte, übermalte Pappschachteln, die mit Secessions-Klebebändern umwickelt und offenbar im Vorfeld dieser Ausstellung entstanden sind. Es ist eine Landschaft aus kleinen Architekturen, aus großartigen Skulpturen.

Darüber schweben nahezu unbehandelte Leinwände, ein Gestell nebenan ist mit verwirrenden Bildobjekten bestückt: Toastbrote auf einem Pappkarton, eine Kordel mit Knoten, Stofffetzen kombiniert mit Zeichnungen, die "Tafel ohne Bedeutung" mit metallenen Eckstücken. An der Wand deuten wenige Zeichnungen und Bilder einen Ausflug in weitere Tiefen von Oberhubers Werk an. Die eckigen Kindsköpfe auf diesen Bildern sind eines der wenigen unverkennbaren Motive in seinem Werk - ein Stil ist daraus dennoch nie entstanden. Hinten in der Secession wurde die raumfüllende Holzinstallation seines Biennale-Beitrags von 1972 aufgebaut, der die glänzenden Aluminiumrohre aus den Siebzigern zur Seite stehen. In der oberen Galerie finden sich dann noch Collagen, Wort-Bild-Kombinationen, Zeichnungen, Plakate und einige Beispiele Oberhubers humorvoller Texte.

Dieses Werk spricht alle Sprachen, von Fluxus bis Konzeptkunst, Konstruktivismus, konkrete Kunst, von Henry Moore bis zum Informell, von abstrakten Zeichnungen bis zu gegenständlicher Malerei. Im Katalog beschreibt Brigitte Kowanz ihren ehemaligen Professor als "gut getarnten Aktionisten", womit sie eine treffende Kennzeichnung dieser babylonischen Stilvielfalt formuliert. Denn all diese stilistischen Anspielungen und Anleihen - und darin liegt die herausragende Qualität dieser Ausstellung - treffen sich in der einen großen Aktion Oberhubers namens "Kunst".

So ist es einerseits konsequent, die Skulpturen wie im Atelier dicht an dicht zu präsentieren, andererseits auf sämtliche Datierungen zu verzichten. Die "permanente Veränderung" gilt ja nicht nur für die Produktion der Kunst, sondern auch für die Rezeption - heute sehen wir viele der frühen Werke anders als zur Entstehungszeit. Heute sind auch Rückdatierungen, wie sie Oberhuber an Werken der 50er oder 60er vornahm - wie übrigens viele seiner internationalen Kollegen auch -, nahezu unerheblich. Was in der Secession sichtbar wird, ist ein höchst bemerkenswertes und komplexes Werk, in dem alles gleichermaßen aktuell ist.

So handelt es sich bei dieser Ausstellung auch um keine Retrospektive, sondern ein momentanes Innehalten in der Aktion oder, wie Oswald Oberhuber es im Titel formuliert, im "ewigen Prozess der Geburt".

Bis 19. 2., Di.-So. 10-18 h, Do. 10-20 h.

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