Salzburger Nachrichten am 17. September 2005 - Bereich:
kultur
Tarne und täusche Salzburg: Jagdszene im
Literaturhaus
BERNHARD FLIEHERSALZBURG (SN). Täuschen und tarnen. So ist das Leben.
So erscheint uns die Welt. Vor allem in der Tarnung liegt die Kraft! Ohne
Tarnen und Deckung gibt es etwa keine Jagd - zumindest keine erfolgreiche.
Wer die Bilder der Grazer Künstlergruppe G.R.A.M. ansieht, erkennt, dass
es hier durchaus auch um diesen Erfolg beim Jagen geht. Zwei tote Krähen sind die Beute. Martin Behr (seit Jahren SN-Redakteur
in Graz) und sein Künstlerkollege Günther Holler-Schuster halten in ihren
Fotos aber mehr fest als den Erfolg. Sie gehen menschlichen Leidenschaften
und Riten nach. Auf Pirsch sind sie - auch mit einer anderen wunderbaren
Fotoserie "Paparazzi" - seit langem im Unterholz menschlicher
Verhaltensmuster und ihrer Alltäglichkeit. Die Ausstellung "Jagdausflug im Stillen Ozean" im Salzburger
Literaturhaus - die erste G.R.A.M-Personalie in Salzburg nach
Beteiligungen unter anderem bei Ausstellungen in Hallein und im Museum
Moderner Kunst - dokumentiert den Ausflug. Die Fotos erinnern an jene
opulenten, romantisierenden Gemälde, die gerne in Berghütten hängen. Sie
erinnert aber ebenso an verschwommene Wahrheit und Echtheit in
TV-Doku-Soaps. Mit von der (Foto-)Landpartie im südsteirischen Hügelland war Gerhard
Roth, einer der renommiertesten österreichischen Gegenwartsautoren. In der
Lesung bei der Vernissage am Donnerstag führte er durch die engen
Verflechtungen seines Romans "Das Labyrinth". Auch im zweiten Text ging's
durch ein Dickicht, und zwar durch das k.u.k Hofarchiv und die
Beamtentätigkeit, die Franz Grillparzer dort absolvierte. Eine Landpartie
anderer Art findet sich im dritten Text. Roth liest von seiner ersten
Lesung in den frühen 70er Jahren, die Opfer der durch Schnaps und Bier
ertränkten Angst wurde. In Roths Texten und den Bildern der 1987 gegründeten Gruppe G.R.A.M
gelingt die Verwirrung zwischen Realität und Erfindung. Beide stellen
Verhaltensmustern und Traditionen nach, um sie - manchmal ironisch,
manchmal aber auch ganz realistisch (und damit noch entlarvender und damit
noch unterhaltsamer) - in ihr Werk zu integrieren. Der stille Ozean und die toten Krähen Roth übrigens, dessen Roman "Der
stille Ozean" (1980) mit namensgebend für die Fotoserie war, taucht auf
einigen der G.R.A.M.-Bilder auf - versteckt und getarnt. Und die Krähen
übrigens wurden nicht von den Fotografen oder dem mitmarschierenden Jäger
erlegt, sondern gefunden und perfekt in Szene gesetzt. So viel Wahrheit im
herrlichen Lug und Trug tut gut und unterhält - neben dem tieferen Sinn
als ständiges Hinterfragen alltäglichen Handelns - bestens. Zu sehen bis
zum 11. November. Info: www.literaturhaus-salzburg.at |