Was wären Maler ohne Musen?
Galerie Lisi Hämmerle zeigt ab heute Werke der Vorarlbergerin Ulli Knall.
ARIANE GRABHER
Bregenz (VN) Was
wären Rembrandt ohne Saskia, Manet ohne Olympia oder all die anderen
großen Maler ohne ihre weiblichen Modelle? Mit der quer durch die
Kunstgeschichte zu verfolgenden, fassettenreichen Beziehung von
Meistern und Musen und der Ikonografie des Porträts befasst sich die in
London lebende Vorarlberger Künstlerin Ulli Knall. Ihre erste
Ausstellung im Ländle umfasst in der Galerie Lisi Hämmerle einen Zyklus
von Zeichnungen und Skulpturen, sowie das titelgebende Video "Thank
you, girl". Als Mini-Roadmovie angelegt, nimmt es den Betrachter mit
auf eine nächtliche Fahrt über einen holprigen Waldweg, die mit einer
absurden Begegnung endet. "Thank you, girl"
versteht sich als Referenz an einen Song von Nick Cave, der den
Soundtrack zum Video bildet, und ist zugleich ein Tribut an alle
Saskias und Olympias der Kunstgeschichte. Eine Ateliersituation
nachstellend, steht eine große Madonnenskulptur aus Ton im Zentrum der
Schau. Frühling im Herbst
Vor Ort entstanden
und mitten im Trocknungsprozess, bringt sie als höchst eigenwillige
Interpretation die Figur der Flora aus Botticellis bekanntem Gemälde
"Der Frühling" mit dem Topos der Maria lactans zusammen. Dabei ist
nicht nur bemerkenswert, wie die Künstlerin von der zweidimensionalen
Vorlage zur Skulptur gelangt, sondern auch ihr überaus erfrischender
Umgang mit den Bildern. Was bei Botticelli noch Frühling, ist in der
zauberhaften Version von Ulli Knall bereits Herbst. Und so ist aus dem
Blumen streuenden Mädchen unversehens eine stillende Mutter mit Kind
geworden. Zwei weitere,
bereits gebrannte Tonskulpturen, sind nach Porträts von Vermeer
entstanden, und auch für die Mischtechniken auf Papier bedient sich
Ulli Knall aus dem Repertoire der alten Meister. Mit Kreide, Aquarell
und Tusche verfrachtet sie die Figuren, ungeachtet ihrer Herkunft oder
ihres Kontextes, vor einen einheitlichen Hintergrund und damit in ein
neues Leben. Identität
Inspiriert von
Science-Fiction-Vorlagen sind fließende Veränderungen von Form und
Zustand sowie die Frage der Identität, das Thema von Ulli Knall. Wie in
einem Film bringt sie die aus Büchern geborgten, abgezeichneten Figuren
in einer zeitlichen Ebene zusammen. Abweichungen von der Vorlage
verleihen den Dargestellten neue Züge. Ebenfalls wie in einem Film
besetzt die Künstlerin mit ihren teilweise überzeichneten Charakteren
quasi die Rollen. Dieses vielleicht ungewöhnlichste Casting in der
Kunstgeschichte kommt einem lustvollen Jonglieren mit dem
Bildergedächtnis des Betrachters gleich. Da bleibt auch diesem nur noch
ein an die Adresse der Künstlerin gerichtetes "Thank you, girl!". Die Ausstellung
wird heute Abend, um 20 Uhr eröffnet. Dauer bis 29. Oktober, geöffnet
Mittwoch bis Samstag, 10 bis 12 und 15 bis 19 Uhr. ZUR PERSON
Künstlerin Ulli
Knall Geboren: 1970 in Gräfelfing, aufgewachsen in Vorarlberg
Ausbildung: Hochschule für angewandte Kunst in Wien, Goldsmiths College
London Laufbahn: u. a. Ausstellungen in London, Glasgow, Reykjavik,
Tirana Wohnort: London Botticelli nachempfunden - aber wie! Arbeit von Ulli Knall, zu sehen in der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle. (Foto: A. Grabher)
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