diepresse.com
zurück | drucken

30.04.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Interview: Etwas wie diese Hand mit der Pistole
Alois Mosbacher zeigt in der Secession seine beunruhigenden Wälder-Welten. Mit der "Presse" sprach der Maler über Rollenspiele, Außenseiter und die Kleider der Bräute.

Herr der Ringe" spielte im Kino Rekorde ein, Uma Thurman tänzelt gerade als bluttriefende "Braut" durch "Kill Bill", das "Blair Witch Project" versetzte uns vor Jahren schon in das gewisse "Jeannie!"-Feeling: Wald macht Angst. Die neuen Bilder von Alois Mosbacher spielen mit diesen cineastischen Assoziationen - hier eine einsame Lichtung, da die völlig verlorene Braut, ein Zauberer taucht auf, daneben ein verschrobenes Mischwesen. Prasselndes Feuer. Unheimliche Wanderer. Eine verlassene Hütte.

Ab heute, Freitag, läuft in der Secession Mosbachers "Out There". Läuft? Die 80 Leinwände funktionieren fast wie Film-Kader - "und doch ist es klassische Malerei. Man kann sie jetzt nicht neu erfinden", sagt der 1954 in Strallegg/Steiermark geborene Maler. Es ist Abend in einem Wiener Kaffeehaus, und er zeichnet die eigens für die Ausstellung entwickelte, fast drei Meter hohe grüne Stellwand-Installation auf eine Serviette. Durch stumpfe und spitze Winkel lotst er den Besucher durch Bildergruppen. Stories werden angerissen, aber nicht aufgelöst - "Das Ganze funktioniert wie ein Videospiel, wo der Spieler selbst den Fortgang bestimmt, indem er ein Level höhersteigt und eine andere narrative Struktur findet."

Zwei Ausgangspunkte gibt es für diesen Werkblock Mosbachers, der ihn die letzten zwei, drei Jahre beschäftigte: Videospiele und "LARPs" ("Live Acting Role Plays"): "Erwachsene Menschen treffen sich, meist im Wald, und führen mittelalterliche Kampfspiele auf - so Herr-der-Ringe-mäßig." Selbst hat sich Mosbacher noch nie in eine solche Community geschleust, auch die Computerspiele beobachtet er nur passiv bei seinen Kindern. Für die Recherche surfte er vor allem durchs Internet und häufte so ein Archiv mit hunderten Fotos an, die er meist noch digital veränderte. "Ich arbeite sehr viel am Computer, aber ich will nicht, dass diese Arbeitsweise als Computermalerei oder als besonders wichtig verstanden wird. Die Fotos sind nur ein Einstieg. Es bleibt Malerei."

Von dieser lebt Mosbacher schließlich seit den frühen 80er Jahren. Im Rückblick wird er zu den damals durchbrechenden "Neuen Wilden" gezählt, ist zurzeit auch in der gleichnamigen Ausstellung in der Sammlung Essl vertreten. Heute stört ihn diese schnelle Zuordnung - "dadurch ist viel versperrt". Nach Serien mit Hühnern, Kakteen- und Hundeporträts kam Mosbachers aktuelles Projekt ziemlich unerwartet: "Ich bin jetzt doch relativ naturalistisch geworden", findet er. "Gegenüber früher sind die Bilder sehr offen und fetzig gemalt - und vieles ist einfach weiß gelassen." Die Kleider der Bräute etwa sind nur ein Loch in der Farbschicht, ein Stück freier Leinwand. Hier geht es mehr um ein Problem der Malerei als um ein inhaltliches: "Es ist wie ein missverstandenes Wortspiel - bride und bright. Die Braut steht hier für die Frage - Wie kommt das Licht in die Malerei?"

Das sei alles "mit einem Lächeln" symbolistisch zu lesen. "Aber nie esoterisch!", sichert sich Mosbacher schnell ab. Mit einem Bild könne man sowieso nicht so wahnsinnig viel erzählen. Bedeutungen ändern sich mit dem Zusammenhang. "In einer Szene liegt ein Mann auf einer Wiese. Er könnte sich einfach nur ausruhen. Aber sobald irgendwo in der Ausstellung etwas vorkommt wie diese Hand mit der Pistole, denkt man: Der ist erschossen worden."

Nur inhaltlichen Krimi-Spekulationen will Mosbacher seine Werke aber nicht aussetzen: "Das wäre doch ein bisserl arm für mich." Die rätselhaften Sujets dienen ihm auch als "Eyecatcher". Damit man überhaupt stehen bleibt. Sich verwirren lässt. "Das Gehirn durch bekannte Muster wachgerüttelt wird." Sagt Mosbacher. Die ziemlich naturalistisch gemalte Hand mit der Pistole etwa: "Sie schießt eigentlich in das Bild hinein, in den gezeichneten Wald. Eine Bildzerstörung eigentlich." Mosbacher lacht. "Es ist nie so ganz klar, wie es ist."

Hineingepackt in seine Wälder-Welten hat er neben kunsthistorischen Zitaten auch politische und soziale Themen. Thoreaus "Walden oder Leben in den Wäldern" aus der Mitte des 19. Jahrhunderts hat ihn inspiriert. "Ein romantisches, aber vor allem utopisches Modell. Die Hippies der 60er haben ihn als Ahnherren genommen." Mit den verlassenen Hütten bezog sich Mosbacher direkt auf UNA-Bomber Ted Kaczynski, der, ebenfalls zurückgezogen, in einer Hütte gelebt hat. "Durch diese Bilder vom Wald kommt man automatisch ins Negative", so Mosbacher. "Es sind Geschichten von Außenseitern. Und das ist heute aktueller denn je. Viele kommen nicht mehr mit der Geschwindigkeit unserer Gesellschaft mit und suchen eine Nische, wo sie überleben - ihr eigenes Häuschen, ihre eigene Fantasie-Welt zusammenzimmern können."

Secession, "Out There": 1. Mai bis 20. Juni. Di.-So. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr.

© diepresse.com | Wien