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  Und ewig lockt der Widerstand...

Public Art Policies: Vom 26.-28.2. macht sich eine Konferenz in Wien auf die Suche nach angemessenen politischen Strategien für progressive Kunstinstitutionen.

Die Ausgangslage ist allgemein bekannt: Kunstinstitutionen, zumal kritische, beklagen allerortens die Streichung von staatlichen Fördermitteln. Die öffentliche Hand, die sich bislang an wohlfahrtsstaatliche Handlungsmuster hielt, schwingt die Rede von den positiven selbstregulierenden Kräften des Marktes und verabschiedet sich damit von der Subventionspolitik der vergangenen Jahrzehnte. Das gilt für nahezu alle Bereiche von öffentlichem Interesse und demgemäss ebenso im Feld der Kunst. Besonders betroffen von der Einschränkung staatlicher Zuwendungen sind die Kunsttempel, welche eben diesen Status eines "Tempels" gegen den Anspruch, gesellschaftspolitisch wirksam zu agieren, ausgetauscht haben. Sie haben sich insofern demokratisiert, als sie sich zum einen nicht als Paläste für das Abfeiern nationaler, die Machtverhältnisse zumindest nicht in Frage stellender Repräsentationskunst hergeben wollen. Zum anderen, als sie sich eben auch nicht mit der seelenlosen Präsentation von gefälligen Publikumshits um der Erfüllung der Besucherquote willen begnügen. Zum dritten, als sie in ihren Ansprüchen und Artikulationen über das angestammte Feld der Kunst hinausgehen und Äquivalenzketten mit anderen gesellschaftlichen Positionen anstreben. Nun ruht ihr Selbstverständnis auf der Überzeugung, als transdisziplinäre Schnittstelle Austragungsort und -motor für demokratische Auseinandersetzungen zu sein.

Setzte die wohlfahrtsstaatlich orientierte Herrschaftstechnologie in mehr oder weniger bewusster Manier auf die Domestikation derartiger Institutionen durch wohlwollend-erstickendes Umarmen mittels staatlicher Förderung und Vereinnahmung, bläst nun ein anderer Wind. Unter dem Deckmantel neoliberaler Rhetorik erfolgt die Kontrollausübung über Repression in Form des Entzugs staatlicher Unterstützung für Unliebsame und Unbequeme. Die kontemporäre Machttechnik unterscheidet sich von der alten allerdings lediglich hinsichtlich des Grades ihre Brachialität. Der Zweck ist vergleichbar, wenn nicht gar derselbe: Kunst und Kultur dürfen nicht wirklich weh tun. Freilich garantiert die verfassungsmäßig zugesicherte "Freiheit der Kunst" grundsätzlich ungehinderte Artikulation, doch prinzipiell ist man zu nicht mehr bereit, als der Kunst und ihren Institutionen die Funktion von demokratischen Hofnarren zuzugestehen. Der Narr darf seine Meinung kundtun, sie durchaus auch laut herausschreien, doch immer nur innerhalb jener Grenzen, die der Herrschende ihm steckt. Progressive Kunstinstitutionen, die ihr politisches Agieren ernst nehmen, begnügen sich hingegen nicht mit dieser Funktion als demokratisches Feigenblatt. Denn das Feld des Politischen betreten sie erst dann, wenn sie sich in Widerspruch zur hegemonialen Position begeben, wenn sie in einen Wettstreit mit der jeweils zeitaktuellen Dominanzmeinung eintreten, wenn sie in Allianzen mit anderen politische Forderungen artikulieren und vermitteln und so die bestehende Hegemonie selbst zur Disposition stellen. Tun sie dies nicht, bescheiden sie sich mit der Rolle des Hofnarren, dessen Existenz ein wesentlicher Faktor für den Fortbestand der jeweiligen Herrschaftsposition ist. Kann doch so zum einen auf deren große demokratische Reife verwiesen werden, welche sogar Enklaven des Widerspruchs duldet und zum anderen aus diesem Pool des akzeptierten Widerständigen geschöpft und die Macht durch beständige Inkorporation eben dieser Elemente prolongiert werden.

Dem unausweichlichen Zusammenhang von Macht und Widerständigkeit widmet sich die Konferenz "Public Art Policies. Progressive Kunstinstitutionen im Zeitalter der Auflösung des Wohlfahrtsstaates", die von 26. bis 28. Februar in der Kunsthalle Exnergasse im Wiener WUK stattfindet. Schon das der Veranstaltung vorangestellte Motto, ein Satz von Gilles Deleuze, macht die Ambiguität des politischen Handelns allgemein wie auch im Feld der Kunst deutlich: "Das letzte Wort der Macht lautet, dass der Widerstand primär ist." Gerald Raunig, Koordinator des Programms republicart, in dessen Rahmen das "eipcp - European Institute for Progressive Cultural Policies" diese Tagung veranstaltet: "Wohl kaum ein Satz beschreibt besser die widersprüchliche Lage, die Chance und die Falle, in der sich progressive Kunstinstitutionen im zunehmend sich auflösenden europäischen Wohlfahrtsstaat befinden: Widerstand und Kritik sind zwar primär, das letzte Wort hat jedoch die Macht." Die Konferenz erörtert jene Praxen und Strategien, welche die Kunstinstitutionen im Umgang mit der aktuellen, neoliberalen Befindlichkeit der Macht entwickelt haben. Sie befragt die von den Kunstinstitutionen selbst eingenommenen Positionen und beleuchtet unterschiedliche kulturpolitische Programme in Europa. Daraus resultierend und allen diesen Thematiken als Subtext immanent, stellt sich die Frage nach der Möglichkeit politischen Handelns im Feld der Kunst, aus der Position von Kunstinstitutionen und darüber hinaus.

Einen Blick über den österreichischen Tellerrand ermöglichen einige "Fallstudien" aus ganz Europa: etwa die Kokerei Zollverein - Zeitgenössische Kunst und Kritik in Essen, das Museu d'Art Contemporani de Barcelona (MACBA), UKK - Young Art Workers in Dänemark, das Latvian Centre for Contemporary Art (LCCA) in Riga, das Rooseum Center for Contemporary Art in Malmö und viele mehr. Das Terrain, auf dem diese Beispiele verhandelt werden, erarbeiten verschiedene theoretische Beiträge. Chantal Mouffe fordert die Anerkennung ein, dass eine Strategie der hegemonialen Auseinandersetzung wesentlich der Institutionen bedarf, um effektiv zu sein. Sie erteilt damit allen Hoffnungen auf eine institutionell nicht vermittelte Transformationskraft der Multitude oder der Zivilgesellschaft eine Absage. Oliver Marchart würzt die Debatte mit der provokanten These, dass sich Kunstinstitutionen zwischen zwei einander widersprechenden Logiken eingeklemmt wiederfinden: Zwischen der Rolle als "politische Kunstöffentlichkeit" und derjenigen als "öffentliche Kunstpolizei". Ein schwer zu lösendes Paradoxon und eine Frage der Entscheidung, denn Kunstinstitutionen, welche sich der ersten Logik verpflichtet fühlen, müssten den Verzicht auf ihre Rolle als dem Feld der Polizei zugehörige "Politikfeldadministratoren" akzeptieren.

Dieses Dilemma prägt auch die aktuellsten kulturpolitischen Initiativen der Wiener Grünen wie der SPÖ. Wie Ende vergangenen Jahres bekannt wurde, planen sowohl SP-Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny als auch die Wiener Grünen die besondere Förderung von innovativer Kunst im öffentlichen Raum. Der Kulturstadtrat richtete dafür einen jährlich mit EUR 800.000 dotierten Fonds ein, der von einer fünfköpfigen Jury verwaltet wird. Deren Aufgaben bestehen in der Entscheidung über eingereichte Projekte, der Initiierung selbständiger Vorhaben sowie der temporären und inhaltlichen Schwerpunktsetzung in Form zu konzipierender Wettbewerbe. Die Wiener Grünen unterstützen die Einrichtung des städtischen Fonds, verleihen aber mit der nahezu zeitgleichen Lancierung einer eigenen Initiative ihrer Forderung nach gesetzlicher Verankerung von Kunst im öffentlichen Raum Nachdruck. Sie haben einen Wettbewerb zum Thema "Wem gehört der öffentliche Raum?" ausgeschrieben. Das Preisgeld in der Höhe von insgesamt EUR 15.000 wird auch hier von einer Jury vergeben. Nun sind beide Initiativen erst einmal zu begrüßen, da sie explizit einem bislang in der Kunst- und Kulturförderung vernachlässigten Bereich Mittel widmen. Über den Mailath-Pokorny-Fonds sind noch zu wenige Details bekannt, um ihn abschließend zu beurteilen. Nachdenklich stimmt jedoch die Kompetenzpalette für die Jury, die augenscheinlich nach bewährt wohlfahrtsstaatlichem Muster agieren soll und der damit die Rolle der "öffentlichen Kunstpolizei" auf den Leib geschneidert wird. So wird zugleich domestiziert und schon vorab zum Feigenblatt degradiert, was ausschließlich durch politischen Widerspruch seine ureigentlichen Existenzbedingungen, nämlich Öffentlichkeit und öffentlichen Raum selbst, herzustellen vermag. Diese Problematik trifft auch auf die grüne Initiative zu, welche in ihrem Ausschreibungstext weder paternalistisches Pathos noch gut gemeinte, josephinistisch orientierte Sozialtechnologie verleugnen kann. So sollen die eingereichten Projekte "partizipativen Charakter haben und AnrainerInnen, Bevölkerung oder Gruppen von StadtbewohnerInnen in die Arbeit mit einbeziehen; Teamwork demonstrieren und öffentliche Orte in der Stadt Wien nutzen, wobei Projekte, die an dezentralen oder bis dato für Kunstprojekte ungenutzten Orten stattfinden, bevorzugt werden".

Zur Vermeidung der Domestikation von künstlerischem Schaffen - auch mittels dieser Förderinitiativen - bedarf es der demokratischen Aushandlung und fortdauernden Ausweitung eben jenes Rahmens, den die Macht in ihrem hegemonialen Setting den Kunst- und KulturproduzentInnen zugesteht. Dass in diesem Prozess nicht auf (Kunst-)Institutionen verzichtet werden kann, zeigt Chantal Mouffes These von der notwendigen und unabdingbaren Vermittlung politischer Artikulation.

Begleitend zur Konferenz "Public Art Policies" (26.-28.2. in der Kunsthalle Exnergasse im Wiener WUK) erscheint eine Ausgabe der Zeitschrift "Kulturrisse", die über die IG Kultur Österreich bezogen werden kann. Weitere Informationen finden sich auch unter republicart



online seit 19.02.2004 15:57:40 (Printausgabe 19)
autorIn und feedback : Sylvia Riedmann




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