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Mumok: Draußen vor der Tür

16.04.2009 | 17:35 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Sozialkritische Videos der polnischen Künstlerin Agnieszka Kalinowska - Subtilität ist nicht die größte Qualität der 1971 geborenen Warschauerin.

Anders als in England gibt es über Österreichs Bundesmuseen keine soziokulturellen Untersuchungen, etwa wie viele Besucher migrantische Hintergründe haben. So kann es auch keine Auflagen der Politik geben, mehr Augenmerk auf eine gesellschaftlich breitere Basis zu legen, wie die Tate Modern es etwa tun sollte. Unsere Politik schafft es nicht einmal, freien Eintritt in die ständigen Sammlungen zu garantieren, Preise um die zehn Euro schließen viele von vornherein von der Kunst aus, machen sie elitär.

So kommt es jetzt im Museum moderner Kunst zu der unangenehmen Situation, Flüchtlinge wie im sozialpornografischen Zoo vorgeführt zu bekommen. Was die junge polnische Künstlerin Agnieszka Kalinowska wohl nicht bezweckt hat mit ihrer eigens für Wien entwickelten Videoarbeit „Zugiges Haus“, für die sie Asylwerber zu ihrer Geschichte befragte. Sie bat sie auf Vermittlung von Ute Bock in den MUMOK-Keller, hinter ein aus Spagat geflochtenes Zaun-Objekt und ließ sie reden, von ihren Familien, Erfahrungen, Hoffnungen nach einer besseren Welt, meist sind die Erzählungen so bitter wie vorhersehbar, bedienen eher die Klischees als sie zu brechen, sie zu hinterfragen, sie wieder spürbar zu machen.

Subtilität ist nicht die größte Qualität der 1971 geborenen Warschauerin, sie ist Vertreterin eines Realismus, der der polnischen Gegenwartskunst zugeschrieben wird. Immer wieder erscheinen die Hände der Asylanten dramatisch beleuchtet im Spielzeugzaun auf, manchmal strecken sie sich Hilfe suchend heraus, manchmal ruhen sie einfach nur müde im Gitter. Das Ganze hat zwei Pluspunkte – es ist Kunst, die jeder versteht, zeitgenössisch durch die Vernetzung der unterschiedlichen Mittel – Video, Zaun-Objekt, soziale Recherche. Und sie hat eine soziale Botschaft. Das weniger Überzeugende: Die Botschaft ist bekannt, wirkt in ihrer Glätte sogar eher wie ein Werbespot für karitative Zwecke.

Nicht die Ausgeschlossenen, sondern die, die selber ausschließen, kommen dann in der etwas weniger pathetischen älteren Arbeit Kalinowskas zu Wort: „Doormen“, wo sie unverfroren in der Ästhetik der Candice Breitz wildert, die in ihren artifiziellen Videos ebenfalls gerne Dialogsituationen vortäuscht, am liebsten mit Hollywoodstars. Kalinowska bat sechs Türsteher verschiedener New Yorker Nobelhotels einzeln zu Interviews, die sie dann mit Hilfe einer Panoramaleinwand zu einer fiktiven Großkonferenz der gelangweilten Wärter montierte.

 

Gefangene Lady im Entlüftungsrohr

Auch hier heißt es, die Künstlerin wolle eine sonst „unsichtbare“ Gruppe sichtbar machen. Auch Türsteher sind ganz normale Menschen, scheint sie uns sagen zu wollen, lesen Zeitung, weil sie sich langweilen, haben politische Meinungen, kennen Anekdötchen aus der Promi-Welt. Wie bei den Asylanten kommen wir hier nicht über das, was wir schon wussten, ahnten, lasen, in TV-Dokus sahen, hinaus. Denn weder Asylanten noch Türsteher sind „unsichtbare“ Gesellschaftsgruppen. Da gibt es eindeutig unsichtbarere. Die Frauen, genau. Sie kommen hier auch vor, jeweils einmal bei den Asylanten und bei den Türstehern – und einmal, in der dritten Videoinstallation der Schau, als Business-Lady-Pendant zu einer Ratte, die in einem Entlüftungsrohr gefangen ist. Aus dem sie raus will. Natürlich. Was sonst?

Bis 14.Juni, Mo–So 10–18, Do 10–21 Uhr.


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